Goldammer, Leo: Eine Hochzeitsnacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [187]–203. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.welche nach dem Niemen hinführt, heraustreten. Er trug Etwas, einen Andern. Das Herz sagte ihr: sie sind es, die wir suchen, und eilte ihnen entgegen. Ein lauter Ausruf des Schreckens bestätigte ihre Vermuthung Allen, die sie davoneilen gesehen. Es waren zwei Menschen, Christoph und Michael. Dieser trug abwechselnd Jenen, bald unterstützte er ihn im Gehen. Was ist? rief der alte Lagies, seine Stimme bebte, und seine Arme streckten sich aus gegen seine Kinder. Es folgte ein kurzer Augenblick der Wonne und des Entzückens -- denn Christoph erholte sich zusehends --; dann berichtete Michael den Kampf seines Bruders mit einem Ungethüm. Zum Vater und zum Bruder sprach er: Du weißt, Bruder, ich machte mir Hoffnung auf dein Weib -- man hatte dich todt gesagt -- und die Urte hat mich wie behext! Der Vater hatte nichts dagegen, für den Fall nämlich, du wärst in Wahrheit geblieben -- -- Das Alles ließ mich die Urte schon als die Meine betrachten, und ich empfand es kaum, daß ich danach einen Bruder verloren haben müßte -- Es ist so, wie ich sage! Du mußt dich erinnern, daß ich mehr erschreckt als erfreut war bei deiner Heimkehr -- -- Doch still davon! Ich stand heute vor der Thür, und Vater hatte mich eben getrumpft, als du das Haus deines Schwieger verließest. Du warst an mir vorbei, und es war mir wohl so und war mir auch wieder nicht so, als wärst du's gewesen; es war zu geschwind gegangen. Ich welche nach dem Niemen hinführt, heraustreten. Er trug Etwas, einen Andern. Das Herz sagte ihr: sie sind es, die wir suchen, und eilte ihnen entgegen. Ein lauter Ausruf des Schreckens bestätigte ihre Vermuthung Allen, die sie davoneilen gesehen. Es waren zwei Menschen, Christoph und Michael. Dieser trug abwechselnd Jenen, bald unterstützte er ihn im Gehen. Was ist? rief der alte Lagies, seine Stimme bebte, und seine Arme streckten sich aus gegen seine Kinder. Es folgte ein kurzer Augenblick der Wonne und des Entzückens — denn Christoph erholte sich zusehends —; dann berichtete Michael den Kampf seines Bruders mit einem Ungethüm. Zum Vater und zum Bruder sprach er: Du weißt, Bruder, ich machte mir Hoffnung auf dein Weib — man hatte dich todt gesagt — und die Urte hat mich wie behext! Der Vater hatte nichts dagegen, für den Fall nämlich, du wärst in Wahrheit geblieben — — Das Alles ließ mich die Urte schon als die Meine betrachten, und ich empfand es kaum, daß ich danach einen Bruder verloren haben müßte — Es ist so, wie ich sage! Du mußt dich erinnern, daß ich mehr erschreckt als erfreut war bei deiner Heimkehr — — Doch still davon! Ich stand heute vor der Thür, und Vater hatte mich eben getrumpft, als du das Haus deines Schwieger verließest. Du warst an mir vorbei, und es war mir wohl so und war mir auch wieder nicht so, als wärst du's gewesen; es war zu geschwind gegangen. Ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0019"/> welche nach dem Niemen hinführt, heraustreten. Er trug Etwas, einen Andern. Das Herz sagte ihr: sie sind es, die wir suchen, und eilte ihnen entgegen. Ein lauter Ausruf des Schreckens bestätigte ihre Vermuthung Allen, die sie davoneilen gesehen.</p><lb/> <p>Es waren zwei Menschen, Christoph und Michael. Dieser trug abwechselnd Jenen, bald unterstützte er ihn im Gehen.</p><lb/> <p>Was ist? rief der alte Lagies, seine Stimme bebte, und seine Arme streckten sich aus gegen seine Kinder.</p><lb/> <p>Es folgte ein kurzer Augenblick der Wonne und des Entzückens — denn Christoph erholte sich zusehends —; dann berichtete Michael den Kampf seines Bruders mit einem Ungethüm. Zum Vater und zum Bruder sprach er:</p><lb/> <p>Du weißt, Bruder, ich machte mir Hoffnung auf dein Weib — man hatte dich todt gesagt — und die Urte hat mich wie behext! Der Vater hatte nichts dagegen, für den Fall nämlich, du wärst in Wahrheit geblieben — — Das Alles ließ mich die Urte schon als die Meine betrachten, und ich empfand es kaum, daß ich danach einen Bruder verloren haben müßte — Es ist so, wie ich sage! Du mußt dich erinnern, daß ich mehr erschreckt als erfreut war bei deiner Heimkehr — — Doch still davon! Ich stand heute vor der Thür, und Vater hatte mich eben getrumpft, als du das Haus deines Schwieger verließest. Du warst an mir vorbei, und es war mir wohl so und war mir auch wieder nicht so, als wärst du's gewesen; es war zu geschwind gegangen. Ich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0019]
welche nach dem Niemen hinführt, heraustreten. Er trug Etwas, einen Andern. Das Herz sagte ihr: sie sind es, die wir suchen, und eilte ihnen entgegen. Ein lauter Ausruf des Schreckens bestätigte ihre Vermuthung Allen, die sie davoneilen gesehen.
Es waren zwei Menschen, Christoph und Michael. Dieser trug abwechselnd Jenen, bald unterstützte er ihn im Gehen.
Was ist? rief der alte Lagies, seine Stimme bebte, und seine Arme streckten sich aus gegen seine Kinder.
Es folgte ein kurzer Augenblick der Wonne und des Entzückens — denn Christoph erholte sich zusehends —; dann berichtete Michael den Kampf seines Bruders mit einem Ungethüm. Zum Vater und zum Bruder sprach er:
Du weißt, Bruder, ich machte mir Hoffnung auf dein Weib — man hatte dich todt gesagt — und die Urte hat mich wie behext! Der Vater hatte nichts dagegen, für den Fall nämlich, du wärst in Wahrheit geblieben — — Das Alles ließ mich die Urte schon als die Meine betrachten, und ich empfand es kaum, daß ich danach einen Bruder verloren haben müßte — Es ist so, wie ich sage! Du mußt dich erinnern, daß ich mehr erschreckt als erfreut war bei deiner Heimkehr — — Doch still davon! Ich stand heute vor der Thür, und Vater hatte mich eben getrumpft, als du das Haus deines Schwieger verließest. Du warst an mir vorbei, und es war mir wohl so und war mir auch wieder nicht so, als wärst du's gewesen; es war zu geschwind gegangen. Ich
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Zitationshilfe: | Goldammer, Leo: Eine Hochzeitsnacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [187]–203. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goldammer_hochzeitsnacht_1910/19>, abgerufen am 28.07.2024. |