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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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pfehlen. Liebe Lotte, lassen Sie mir noch ein klein
wenig Ruh, es wird alles werden. -- Nur das
Werther! daß Sie nicht eher kommen als Weyh-
nachtsabend! -- Er wollte antworten, und Al-
bert trat in die Stube. Man bot sich einen fro-
stigen guten Abend, und gieng verlegen im Zim-
mer neben einander auf und nieder. Werther fieng
einen unbedeutenden Diskurs an, der bald aus
war, Albert desgleichen, der sodann seine Frau nach
einigen Aufträgen fragte, und als er hörte, sie seyen
noch nicht ausgerichtet, ihr spizze Reden gab, die
Werthern durch's Herz giengen. Er wollte gehn,
er konnte nicht und zauderte bis Acht, da sich denn
der Unmuth und Unwillen an einander immer ver-
mehrte, bis der Tisch gedekt wurde und er Huth
und Stok nahm, da ihm denn Albert ein unbedeu-
tend Kompliment, ob er nicht mit ihnen vorlieb
nehmen wollte? mit auf den Weg gab.

Er kam nach Hause, nahm seinem Burschen,
der ihm leuchten wollte, das Licht aus der Hand,
und gieng allein in sein Zimmer, weinte laut, re-
dete aufgebracht mit sich selbst, gieng heftig die

Stube



pfehlen. Liebe Lotte, laſſen Sie mir noch ein klein
wenig Ruh, es wird alles werden. — Nur das
Werther! daß Sie nicht eher kommen als Weyh-
nachtsabend! — Er wollte antworten, und Al-
bert trat in die Stube. Man bot ſich einen fro-
ſtigen guten Abend, und gieng verlegen im Zim-
mer neben einander auf und nieder. Werther fieng
einen unbedeutenden Diskurs an, der bald aus
war, Albert desgleichen, der ſodann ſeine Frau nach
einigen Auftraͤgen fragte, und als er hoͤrte, ſie ſeyen
noch nicht ausgerichtet, ihr ſpizze Reden gab, die
Werthern durch’s Herz giengen. Er wollte gehn,
er konnte nicht und zauderte bis Acht, da ſich denn
der Unmuth und Unwillen an einander immer ver-
mehrte, bis der Tiſch gedekt wurde und er Huth
und Stok nahm, da ihm denn Albert ein unbedeu-
tend Kompliment, ob er nicht mit ihnen vorlieb
nehmen wollte? mit auf den Weg gab.

Er kam nach Hauſe, nahm ſeinem Burſchen,
der ihm leuchten wollte, das Licht aus der Hand,
und gieng allein in ſein Zimmer, weinte laut, re-
dete aufgebracht mit ſich ſelbſt, gieng heftig die

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[184/0072] pfehlen. Liebe Lotte, laſſen Sie mir noch ein klein wenig Ruh, es wird alles werden. — Nur das Werther! daß Sie nicht eher kommen als Weyh- nachtsabend! — Er wollte antworten, und Al- bert trat in die Stube. Man bot ſich einen fro- ſtigen guten Abend, und gieng verlegen im Zim- mer neben einander auf und nieder. Werther fieng einen unbedeutenden Diskurs an, der bald aus war, Albert desgleichen, der ſodann ſeine Frau nach einigen Auftraͤgen fragte, und als er hoͤrte, ſie ſeyen noch nicht ausgerichtet, ihr ſpizze Reden gab, die Werthern durch’s Herz giengen. Er wollte gehn, er konnte nicht und zauderte bis Acht, da ſich denn der Unmuth und Unwillen an einander immer ver- mehrte, bis der Tiſch gedekt wurde und er Huth und Stok nahm, da ihm denn Albert ein unbedeu- tend Kompliment, ob er nicht mit ihnen vorlieb nehmen wollte? mit auf den Weg gab. Er kam nach Hauſe, nahm ſeinem Burſchen, der ihm leuchten wollte, das Licht aus der Hand, und gieng allein in ſein Zimmer, weinte laut, re- dete aufgebracht mit ſich ſelbſt, gieng heftig die Stube

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther02_1774/72>, abgerufen am 23.11.2024.