Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774.Einsamkeit umschweben. Jch fühl es noch wie heimlich mir's ward, als ich zum erstenmal an ei- nem hohen Mittage hinein trat, ich ahndete ganz leise, was das noch für ein Schauplaz werden sollte von Seligkeit und Schmerz. Jch hatte mich etwa eine halbe Stunde in de- der G 5
Einſamkeit umſchweben. Jch fuͤhl es noch wie heimlich mir’s ward, als ich zum erſtenmal an ei- nem hohen Mittage hinein trat, ich ahndete ganz leiſe, was das noch fuͤr ein Schauplaz werden ſollte von Seligkeit und Schmerz. Jch hatte mich etwa eine halbe Stunde in de- der G 5
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Einſamkeit umſchweben. Jch fuͤhl es noch wie
heimlich mir’s ward, als ich zum erſtenmal an ei-
nem hohen Mittage hinein trat, ich ahndete ganz
leiſe, was das noch fuͤr ein Schauplaz werden
ſollte von Seligkeit und Schmerz.
Jch hatte mich etwa eine halbe Stunde in de-
nen ſchmachtenden ſuͤſſen Gedanken des Abſchei-
dens, des Wiederſehns geweidet; als ich ſie die
Teraſſe herauf ſteigen hoͤrte, ich lief ihnen entge-
gen, mit einem Schauer faßt ich ihre Hand und
kuͤßte ſie. Wir waren eben herauf getreten, als
der Mond hinter dem buͤſchigen Huͤgel aufgieng,
wir redeten mancherley und kamen unvermerkt dem
duͤſtern Cabinette naͤher. Lotte tratt hinein und
ſezte ſich, Albert neben ſie, ich auch, doch, meine
Unruhe lies mich nicht lange ſizzen, ich ſtand auf,
trat vor ſie, gieng auf und ab, ſezte mich wieder,
es war ein aͤngſtlicher Zuſtand. Sie machte uns
aufmerkſam auf die ſchoͤne Wuͤrkung des Monden-
lichts, das am Ende der Buchenwaͤnde die ganze
Teraſſe vor uns erleuchtete, ein herrlicher Anblik,
der
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774/105>, abgerufen am 02.03.2025. |