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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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mel schauen mußte, ja zuletzt, weil sich doch
dergleichen Situationen immer steigern, mehr
einer Wittwe von Ephesus als einer Königinn
von Carien ähnlich sah. Die Vorstellung
zog sich daher in die Länge, der Clavierspie¬
ler, der sonst Geduld genug hatte, wußte
nicht mehr in welchen Ton er ausweichen
sollte. Er dankte Gott als er die Urne auf
der Pyramide stehn sah und fiel unwillkühr¬
lich, als die Königinn ihren Dank ausdrü¬
cken wollte, in ein lustiges Thema; wodurch
die Vorstellung zwar ihren Character verlor,
die Gesellschaft jedoch völlig aufgeheitert wur¬
de, die sich denn sogleich theilte, der Dame
für ihren vortrefflichen Ausdruck, und dem
Architecten für seine künstliche und zierliche
Zeichnung eine freudige Bewunderung zu be¬
weisen.

Besonders der Bräutigam unterhielt sich
mit dem Architecten. Es thut mir leid,
sagte jener, daß die Zeichnung so vergänglich

mel ſchauen mußte, ja zuletzt, weil ſich doch
dergleichen Situationen immer ſteigern, mehr
einer Wittwe von Epheſus als einer Koͤniginn
von Carien aͤhnlich ſah. Die Vorſtellung
zog ſich daher in die Laͤnge, der Clavierſpie¬
ler, der ſonſt Geduld genug hatte, wußte
nicht mehr in welchen Ton er ausweichen
ſollte. Er dankte Gott als er die Urne auf
der Pyramide ſtehn ſah und fiel unwillkuͤhr¬
lich, als die Koͤniginn ihren Dank ausdruͤ¬
cken wollte, in ein luſtiges Thema; wodurch
die Vorſtellung zwar ihren Character verlor,
die Geſellſchaft jedoch voͤllig aufgeheitert wur¬
de, die ſich denn ſogleich theilte, der Dame
fuͤr ihren vortrefflichen Ausdruck, und dem
Architecten fuͤr ſeine kuͤnſtliche und zierliche
Zeichnung eine freudige Bewunderung zu be¬
weiſen.

Beſonders der Braͤutigam unterhielt ſich
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[59/0062] mel ſchauen mußte, ja zuletzt, weil ſich doch dergleichen Situationen immer ſteigern, mehr einer Wittwe von Epheſus als einer Koͤniginn von Carien aͤhnlich ſah. Die Vorſtellung zog ſich daher in die Laͤnge, der Clavierſpie¬ ler, der ſonſt Geduld genug hatte, wußte nicht mehr in welchen Ton er ausweichen ſollte. Er dankte Gott als er die Urne auf der Pyramide ſtehn ſah und fiel unwillkuͤhr¬ lich, als die Koͤniginn ihren Dank ausdruͤ¬ cken wollte, in ein luſtiges Thema; wodurch die Vorſtellung zwar ihren Character verlor, die Geſellſchaft jedoch voͤllig aufgeheitert wur¬ de, die ſich denn ſogleich theilte, der Dame fuͤr ihren vortrefflichen Ausdruck, und dem Architecten fuͤr ſeine kuͤnſtliche und zierliche Zeichnung eine freudige Bewunderung zu be¬ weiſen. Beſonders der Braͤutigam unterhielt ſich mit dem Architecten. Es thut mir leid, ſagte jener, daß die Zeichnung ſo vergaͤnglich

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/62>, abgerufen am 23.11.2024.