Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Flören, Creppen, Franzen, Schmelzen, Qua¬
sten und Kronen -- so faßte er sich doch
gleich innerlich, allein um so wunderlicher
war es anzusehen. Mit dem größten Ernst
stellte er sich vor die große Tafel, die von
ein paar Pagen gehalten wurde, und zeich¬
nete mit viel Bedacht und Genauigkeit ein
Grabmal, das zwar eher einem longobardi¬
schen als einem carischen König wäre gemäß
gewesen, aber doch in so schönen Verhältnis¬
sen, so ernst in seinen Theilen, so geistreich
in seinen Zieraten, daß man es mit Ver¬
gnügen entstehen sah und als es fertig war
bewunderte.

Er hatte sich in diesem ganzen Zeitraum
fast nicht gegen die Königinn gewendet, son¬
dern seinem Geschäft alle Aufmerksamkeit ge¬
widmet. Endlich als er sich vor ihr neigte
und andeutete, daß er nun ihre Befehle voll¬
zogen zu haben glaube, hielt sie ihm noch
die Urne hin, und bezeichnete das Verlan¬

Floͤren, Creppen, Franzen, Schmelzen, Qua¬
ſten und Kronen — ſo faßte er ſich doch
gleich innerlich, allein um ſo wunderlicher
war es anzuſehen. Mit dem groͤßten Ernſt
ſtellte er ſich vor die große Tafel, die von
ein paar Pagen gehalten wurde, und zeich¬
nete mit viel Bedacht und Genauigkeit ein
Grabmal, das zwar eher einem longobardi¬
ſchen als einem cariſchen Koͤnig waͤre gemaͤß
geweſen, aber doch in ſo ſchoͤnen Verhaͤltniſ¬
ſen, ſo ernſt in ſeinen Theilen, ſo geiſtreich
in ſeinen Zieraten, daß man es mit Ver¬
gnuͤgen entſtehen ſah und als es fertig war
bewunderte.

Er hatte ſich in dieſem ganzen Zeitraum
faſt nicht gegen die Koͤniginn gewendet, ſon¬
dern ſeinem Geſchaͤft alle Aufmerkſamkeit ge¬
widmet. Endlich als er ſich vor ihr neigte
und andeutete, daß er nun ihre Befehle voll¬
zogen zu haben glaube, hielt ſie ihm noch
die Urne hin, und bezeichnete das Verlan¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0060" n="57"/>
Flo&#x0364;ren, Creppen, Franzen, Schmelzen, Qua¬<lb/>
&#x017F;ten und Kronen &#x2014; &#x017F;o faßte er &#x017F;ich doch<lb/>
gleich innerlich, allein um &#x017F;o wunderlicher<lb/>
war es anzu&#x017F;ehen. Mit dem gro&#x0364;ßten Ern&#x017F;t<lb/>
&#x017F;tellte er &#x017F;ich vor die große Tafel, die von<lb/>
ein paar Pagen gehalten wurde, und zeich¬<lb/>
nete mit viel Bedacht und Genauigkeit ein<lb/>
Grabmal, das zwar eher einem longobardi¬<lb/>
&#x017F;chen als einem cari&#x017F;chen Ko&#x0364;nig wa&#x0364;re gema&#x0364;ß<lb/>
gewe&#x017F;en, aber doch in &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;nen Verha&#x0364;ltni&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en, &#x017F;o ern&#x017F;t in &#x017F;einen Theilen, &#x017F;o gei&#x017F;treich<lb/>
in &#x017F;einen Zieraten, daß man es mit Ver¬<lb/>
gnu&#x0364;gen ent&#x017F;tehen &#x017F;ah und als es fertig war<lb/>
bewunderte.</p><lb/>
        <p>Er hatte &#x017F;ich in die&#x017F;em ganzen Zeitraum<lb/>
fa&#x017F;t nicht gegen die Ko&#x0364;niginn gewendet, &#x017F;on¬<lb/>
dern &#x017F;einem Ge&#x017F;cha&#x0364;ft alle Aufmerk&#x017F;amkeit ge¬<lb/>
widmet. Endlich als er &#x017F;ich vor ihr neigte<lb/>
und andeutete, daß er nun ihre Befehle voll¬<lb/>
zogen zu haben glaube, hielt &#x017F;ie ihm noch<lb/>
die Urne hin, und bezeichnete das Verlan¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0060] Floͤren, Creppen, Franzen, Schmelzen, Qua¬ ſten und Kronen — ſo faßte er ſich doch gleich innerlich, allein um ſo wunderlicher war es anzuſehen. Mit dem groͤßten Ernſt ſtellte er ſich vor die große Tafel, die von ein paar Pagen gehalten wurde, und zeich¬ nete mit viel Bedacht und Genauigkeit ein Grabmal, das zwar eher einem longobardi¬ ſchen als einem cariſchen Koͤnig waͤre gemaͤß geweſen, aber doch in ſo ſchoͤnen Verhaͤltniſ¬ ſen, ſo ernſt in ſeinen Theilen, ſo geiſtreich in ſeinen Zieraten, daß man es mit Ver¬ gnuͤgen entſtehen ſah und als es fertig war bewunderte. Er hatte ſich in dieſem ganzen Zeitraum faſt nicht gegen die Koͤniginn gewendet, ſon¬ dern ſeinem Geſchaͤft alle Aufmerkſamkeit ge¬ widmet. Endlich als er ſich vor ihr neigte und andeutete, daß er nun ihre Befehle voll¬ zogen zu haben glaube, hielt ſie ihm noch die Urne hin, und bezeichnete das Verlan¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/60
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/60>, abgerufen am 02.05.2024.