deren größte Wirkung er nicht mitgenießt. In den Tempeln zieht er eine Gränze zwi¬ schen sich und dem Allerheiligsten; er darf die Stufen nicht mehr betreten, die er zur Herz erhebenden Feyerlichkeit gründete, so wie der Goldschmid die Monstranz nur von fern an¬ betet, deren Schmelz und Edelsteine er zu¬ sammengeordnet hat. Dem Reichen übergiebt der Baumeister mit dem Schlüssel des Palla¬ stes alle Bequemlichkeit und Behäbigkeit, ohne irgend etwas davon mitzugenießen. Muß sich nicht allgemach auf diese Weise die Kunst von dem Künstler entfernen, wenn das Werk, wie ein ausgestattetes Kind, nicht mehr auf den Vater zurückwirkt? und wie sehr mußte die Kunst sich selbst befördern, als sie fast al¬ lein mit dem Oeffentlichen, mit dem was allen und also auch dem Künstler gehörte, sich zu beschäftigen bestimmt war!"
"Eine Vorstellung der alten Völker ist ernst und kann furchtbar scheinen. Sie dach¬
deren groͤßte Wirkung er nicht mitgenießt. In den Tempeln zieht er eine Graͤnze zwi¬ ſchen ſich und dem Allerheiligſten; er darf die Stufen nicht mehr betreten, die er zur Herz erhebenden Feyerlichkeit gruͤndete, ſo wie der Goldſchmid die Monſtranz nur von fern an¬ betet, deren Schmelz und Edelſteine er zu¬ ſammengeordnet hat. Dem Reichen uͤbergiebt der Baumeiſter mit dem Schluͤſſel des Palla¬ ſtes alle Bequemlichkeit und Behaͤbigkeit, ohne irgend etwas davon mitzugenießen. Muß ſich nicht allgemach auf dieſe Weiſe die Kunſt von dem Kuͤnſtler entfernen, wenn das Werk, wie ein ausgeſtattetes Kind, nicht mehr auf den Vater zuruͤckwirkt? und wie ſehr mußte die Kunſt ſich ſelbſt befoͤrdern, als ſie faſt al¬ lein mit dem Oeffentlichen, mit dem was allen und alſo auch dem Kuͤnſtler gehoͤrte, ſich zu beſchaͤftigen beſtimmt war!“
„Eine Vorſtellung der alten Voͤlker iſt ernſt und kann furchtbar ſcheinen. Sie dach¬
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deren groͤßte Wirkung er nicht mitgenießt.
In den Tempeln zieht er eine Graͤnze zwi¬
ſchen ſich und dem Allerheiligſten; er darf die
Stufen nicht mehr betreten, die er zur Herz
erhebenden Feyerlichkeit gruͤndete, ſo wie der
Goldſchmid die Monſtranz nur von fern an¬
betet, deren Schmelz und Edelſteine er zu¬
ſammengeordnet hat. Dem Reichen uͤbergiebt
der Baumeiſter mit dem Schluͤſſel des Palla¬
ſtes alle Bequemlichkeit und Behaͤbigkeit, ohne
irgend etwas davon mitzugenießen. Muß ſich
nicht allgemach auf dieſe Weiſe die Kunſt von
dem Kuͤnſtler entfernen, wenn das Werk, wie
ein ausgeſtattetes Kind, nicht mehr auf den
Vater zuruͤckwirkt? und wie ſehr mußte die
Kunſt ſich ſelbſt befoͤrdern, als ſie faſt al¬
lein mit dem Oeffentlichen, mit dem was
allen und alſo auch dem Kuͤnſtler gehoͤrte, ſich
zu beſchaͤftigen beſtimmt war!“
„Eine Vorſtellung der alten Voͤlker iſt
ernſt und kann furchtbar ſcheinen. Sie dach¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/46>, abgerufen am 28.03.2024.
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