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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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nehmes zu Stande gebracht. Ich werde es
erst in deiner Beschreibung und dann gern in
der Wirklichkeit genießen.

Ottilie, die wohl wußte, daß Charlotte
sich in manchen Stücken in Acht nahm, alle
Gemüthsbewegungen vermied, und besonders
nicht überrascht seyn wollte, begab sich sogleich
allein auf den Weg und sah sich unwillkühr¬
lich nach dem Architecten um, der aber
nirgends erschien und sich mochte verborgen
haben. Sie trat in die Kirche, die sie offen
fand. Diese war schon früher fertig, gereinigt
und eingeweiht. Sie trat zur Thüre der Ca¬
pelle, deren schwere mit Erz beschlagene Last
sich leicht vor ihr aufthat und sie in einem
bekannten Raume mit einem unerwarteten An¬
blick überraschte.

Durch das einzige hohe Fenster fiel ein
ernstes buntes Licht herein: denn es war von
farbigen Gläsern anmuthig zusammengesetzt.

nehmes zu Stande gebracht. Ich werde es
erſt in deiner Beſchreibung und dann gern in
der Wirklichkeit genießen.

Ottilie, die wohl wußte, daß Charlotte
ſich in manchen Stuͤcken in Acht nahm, alle
Gemuͤthsbewegungen vermied, und beſonders
nicht uͤberraſcht ſeyn wollte, begab ſich ſogleich
allein auf den Weg und ſah ſich unwillkuͤhr¬
lich nach dem Architecten um, der aber
nirgends erſchien und ſich mochte verborgen
haben. Sie trat in die Kirche, die ſie offen
fand. Dieſe war ſchon fruͤher fertig, gereinigt
und eingeweiht. Sie trat zur Thuͤre der Ca¬
pelle, deren ſchwere mit Erz beſchlagene Laſt
ſich leicht vor ihr aufthat und ſie in einem
bekannten Raume mit einem unerwarteten An¬
blick uͤberraſchte.

Durch das einzige hohe Fenſter fiel ein
ernſtes buntes Licht herein: denn es war von
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[38/0041] nehmes zu Stande gebracht. Ich werde es erſt in deiner Beſchreibung und dann gern in der Wirklichkeit genießen. Ottilie, die wohl wußte, daß Charlotte ſich in manchen Stuͤcken in Acht nahm, alle Gemuͤthsbewegungen vermied, und beſonders nicht uͤberraſcht ſeyn wollte, begab ſich ſogleich allein auf den Weg und ſah ſich unwillkuͤhr¬ lich nach dem Architecten um, der aber nirgends erſchien und ſich mochte verborgen haben. Sie trat in die Kirche, die ſie offen fand. Dieſe war ſchon fruͤher fertig, gereinigt und eingeweiht. Sie trat zur Thuͤre der Ca¬ pelle, deren ſchwere mit Erz beſchlagene Laſt ſich leicht vor ihr aufthat und ſie in einem bekannten Raume mit einem unerwarteten An¬ blick uͤberraſchte. Durch das einzige hohe Fenſter fiel ein ernſtes buntes Licht herein: denn es war von farbigen Glaͤſern anmuthig zuſammengeſetzt.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/41>, abgerufen am 23.11.2024.