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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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ben als wenn es der Herbst jenes ersten Früh¬
lings wäre; die Zwischenzeit war ins Ver¬
gessen gefallen. Denn nun blühten die Blu¬
men, dergleichen man in jenen ersten Tagen
auch gesät hatte; nun reiften Früchte an den
Bäumen, die man damals blühen gesehen.

Der Major ging ab und zu; auch Mitt¬
ler ließ sich öfter sehen. Die Abendsitzungen
waren meistens regelmäßig. Eduard las ge¬
wöhnlich; lebhafter, gefühlvoller, besser, ja
sogar heiterer, wenn man will, als jemals.
Es war als wenn er, so gut durch Fröhlich¬
keit als durch Gefühl, Ottiliens Erstarren
wieder beleben, ihr Schweigen wieder auflö¬
sen wollte. Er setzte sich wie vormals, daß
sie ihm ins Buch sehen konnte, ja er ward
unruhig, zerstreut, wenn sie nicht hineinsah,
wenn er nicht gewiß war, daß sie seinen Wor¬
ten mit ihren Augen folgte.

Jedes unerfreuliche unbequeme Gefühl der
mittleren Zeit war ausgelöscht. Keines trug

ben als wenn es der Herbſt jenes erſten Fruͤh¬
lings waͤre; die Zwiſchenzeit war ins Ver¬
geſſen gefallen. Denn nun bluͤhten die Blu¬
men, dergleichen man in jenen erſten Tagen
auch geſaͤt hatte; nun reiften Fruͤchte an den
Baͤumen, die man damals bluͤhen geſehen.

Der Major ging ab und zu; auch Mitt¬
ler ließ ſich oͤfter ſehen. Die Abendſitzungen
waren meiſtens regelmaͤßig. Eduard las ge¬
woͤhnlich; lebhafter, gefuͤhlvoller, beſſer, ja
ſogar heiterer, wenn man will, als jemals.
Es war als wenn er, ſo gut durch Froͤhlich¬
keit als durch Gefuͤhl, Ottiliens Erſtarren
wieder beleben, ihr Schweigen wieder aufloͤ¬
ſen wollte. Er ſetzte ſich wie vormals, daß
ſie ihm ins Buch ſehen konnte, ja er ward
unruhig, zerſtreut, wenn ſie nicht hineinſah,
wenn er nicht gewiß war, daß ſie ſeinen Wor¬
ten mit ihren Augen folgte.

Jedes unerfreuliche unbequeme Gefuͤhl der
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[311/0314] ben als wenn es der Herbſt jenes erſten Fruͤh¬ lings waͤre; die Zwiſchenzeit war ins Ver¬ geſſen gefallen. Denn nun bluͤhten die Blu¬ men, dergleichen man in jenen erſten Tagen auch geſaͤt hatte; nun reiften Fruͤchte an den Baͤumen, die man damals bluͤhen geſehen. Der Major ging ab und zu; auch Mitt¬ ler ließ ſich oͤfter ſehen. Die Abendſitzungen waren meiſtens regelmaͤßig. Eduard las ge¬ woͤhnlich; lebhafter, gefuͤhlvoller, beſſer, ja ſogar heiterer, wenn man will, als jemals. Es war als wenn er, ſo gut durch Froͤhlich¬ keit als durch Gefuͤhl, Ottiliens Erſtarren wieder beleben, ihr Schweigen wieder aufloͤ¬ ſen wollte. Er ſetzte ſich wie vormals, daß ſie ihm ins Buch ſehen konnte, ja er ward unruhig, zerſtreut, wenn ſie nicht hineinſah, wenn er nicht gewiß war, daß ſie ſeinen Wor¬ ten mit ihren Augen folgte. Jedes unerfreuliche unbequeme Gefuͤhl der mittleren Zeit war ausgeloͤſcht. Keines trug

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/314>, abgerufen am 24.11.2024.