Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn er sich zu dir drängen sollte. Ottilie
besann sich nicht einen Augenblick, sie gab
Charlotten das Wort, das sie sich schon selbst
gegeben hatte.

Nun aber schwebte Charlotten immer noch
jene Drohung Eduards vor der Seele, daß
er Ottilien nur so lange entsagen könne, als
sie sich von Charlotten nicht trennte. Es
hatten sich zwar seit der Zeit die Umstände
so verändert, es war so mancherley vorge¬
fallen, daß jenes vom Augenblick ihm abge¬
drungene Wort gegen die folgenden Ereignisse
für aufgehoben zu achten war; dennoch wollte
sie auch im entferntesten Sinne weder etwas
wagen, noch etwas vornehmen das ihn verletzen
könnte, und so sollte Mittler in diesem Falle
Eduards Gesinnungen erforschen.

Mittler hatte seit dem Tode des Kindes
Charlotten öfters, obgleich nur auf Augen¬
blicke, besucht. Dieser Unfall, der ihm die

wenn er ſich zu dir draͤngen ſollte. Ottilie
beſann ſich nicht einen Augenblick, ſie gab
Charlotten das Wort, das ſie ſich ſchon ſelbſt
gegeben hatte.

Nun aber ſchwebte Charlotten immer noch
jene Drohung Eduards vor der Seele, daß
er Ottilien nur ſo lange entſagen koͤnne, als
ſie ſich von Charlotten nicht trennte. Es
hatten ſich zwar ſeit der Zeit die Umſtaͤnde
ſo veraͤndert, es war ſo mancherley vorge¬
fallen, daß jenes vom Augenblick ihm abge¬
drungene Wort gegen die folgenden Ereigniſſe
fuͤr aufgehoben zu achten war; dennoch wollte
ſie auch im entfernteſten Sinne weder etwas
wagen, noch etwas vornehmen das ihn verletzen
koͤnnte, und ſo ſollte Mittler in dieſem Falle
Eduards Geſinnungen erforſchen.

Mittler hatte ſeit dem Tode des Kindes
Charlotten oͤfters, obgleich nur auf Augen¬
blicke, beſucht. Dieſer Unfall, der ihm die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0287" n="284"/>
wenn er &#x017F;ich zu dir dra&#x0364;ngen &#x017F;ollte. Ottilie<lb/>
be&#x017F;ann &#x017F;ich nicht einen Augenblick, &#x017F;ie gab<lb/>
Charlotten das Wort, das &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;chon &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
gegeben hatte.</p><lb/>
        <p>Nun aber &#x017F;chwebte Charlotten immer noch<lb/>
jene Drohung Eduards vor der Seele, daß<lb/>
er Ottilien nur &#x017F;o lange ent&#x017F;agen ko&#x0364;nne, als<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich von Charlotten nicht trennte. Es<lb/>
hatten &#x017F;ich zwar &#x017F;eit der Zeit die Um&#x017F;ta&#x0364;nde<lb/>
&#x017F;o vera&#x0364;ndert, es war &#x017F;o mancherley vorge¬<lb/>
fallen, daß jenes vom Augenblick ihm abge¬<lb/>
drungene Wort gegen die folgenden Ereigni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
fu&#x0364;r aufgehoben zu achten war; dennoch wollte<lb/>
&#x017F;ie auch im entfernte&#x017F;ten Sinne weder etwas<lb/>
wagen, noch etwas vornehmen das ihn verletzen<lb/>
ko&#x0364;nnte, und &#x017F;o &#x017F;ollte Mittler in die&#x017F;em Falle<lb/>
Eduards Ge&#x017F;innungen erfor&#x017F;chen.</p><lb/>
        <p>Mittler hatte &#x017F;eit dem Tode des Kindes<lb/>
Charlotten o&#x0364;fters, obgleich nur auf Augen¬<lb/>
blicke, be&#x017F;ucht. Die&#x017F;er Unfall, der ihm die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[284/0287] wenn er ſich zu dir draͤngen ſollte. Ottilie beſann ſich nicht einen Augenblick, ſie gab Charlotten das Wort, das ſie ſich ſchon ſelbſt gegeben hatte. Nun aber ſchwebte Charlotten immer noch jene Drohung Eduards vor der Seele, daß er Ottilien nur ſo lange entſagen koͤnne, als ſie ſich von Charlotten nicht trennte. Es hatten ſich zwar ſeit der Zeit die Umſtaͤnde ſo veraͤndert, es war ſo mancherley vorge¬ fallen, daß jenes vom Augenblick ihm abge¬ drungene Wort gegen die folgenden Ereigniſſe fuͤr aufgehoben zu achten war; dennoch wollte ſie auch im entfernteſten Sinne weder etwas wagen, noch etwas vornehmen das ihn verletzen koͤnnte, und ſo ſollte Mittler in dieſem Falle Eduards Geſinnungen erforſchen. Mittler hatte ſeit dem Tode des Kindes Charlotten oͤfters, obgleich nur auf Augen¬ blicke, beſucht. Dieſer Unfall, der ihm die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/287
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/287>, abgerufen am 27.11.2024.