Seele mit dem unglücklichen Gedanken er¬ schrecken, daß Mann und Frau entfremdet sich einander ans Herz drücken und einen ge¬ setzlichen Bund durch lebhafte Wünsche ent¬ heiligen können! Oder ja, da wir einmal so weit sind, da mein Verhältniß zu Charlotten getrennt werden muß, da du die meinige seyn wirst, warum soll ich es nicht sagen! Warum soll ich das harte Wort nicht aussprechen: dieß Kind ist aus einem doppelten Ehbruch erzeugt! es trennt mich von meiner Gattinn und meine Gattinn von mir, wie es uns hät¬ te verbinden sollen. Mag es denn gegen mich zeugen, mögen diese herrlichen Augen den deinigen sagen, daß ich in den Armen einer andern dir gehörte; mögest du fühlen, Ottilie, recht fühlen, daß ich jenen Fehler, jenes Verbrechen nur in deinen Armen ab¬ büßen kann!
Horch! rief er aus, indem er aufsprang und einen Schuß zu hören glaubte, als das
Seele mit dem ungluͤcklichen Gedanken er¬ ſchrecken, daß Mann und Frau entfremdet ſich einander ans Herz druͤcken und einen ge¬ ſetzlichen Bund durch lebhafte Wuͤnſche ent¬ heiligen koͤnnen! Oder ja, da wir einmal ſo weit ſind, da mein Verhaͤltniß zu Charlotten getrennt werden muß, da du die meinige ſeyn wirſt, warum ſoll ich es nicht ſagen! Warum ſoll ich das harte Wort nicht ausſprechen: dieß Kind iſt aus einem doppelten Ehbruch erzeugt! es trennt mich von meiner Gattinn und meine Gattinn von mir, wie es uns haͤt¬ te verbinden ſollen. Mag es denn gegen mich zeugen, moͤgen dieſe herrlichen Augen den deinigen ſagen, daß ich in den Armen einer andern dir gehoͤrte; moͤgeſt du fuͤhlen, Ottilie, recht fuͤhlen, daß ich jenen Fehler, jenes Verbrechen nur in deinen Armen ab¬ buͤßen kann!
Horch! rief er aus, indem er aufſprang und einen Schuß zu hoͤren glaubte, als das
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0253"n="250"/>
Seele mit dem ungluͤcklichen Gedanken er¬<lb/>ſchrecken, daß Mann und Frau entfremdet<lb/>ſich einander ans Herz druͤcken und einen ge¬<lb/>ſetzlichen Bund durch lebhafte Wuͤnſche ent¬<lb/>
heiligen koͤnnen! Oder ja, da wir einmal ſo<lb/>
weit ſind, da mein Verhaͤltniß zu Charlotten<lb/>
getrennt werden muß, da du die meinige ſeyn<lb/>
wirſt, warum ſoll ich es nicht ſagen! Warum<lb/>ſoll ich das harte Wort nicht ausſprechen:<lb/>
dieß Kind iſt aus einem doppelten Ehbruch<lb/>
erzeugt! es trennt mich von meiner Gattinn<lb/>
und meine Gattinn von mir, wie es uns haͤt¬<lb/>
te verbinden ſollen. Mag es denn gegen<lb/>
mich zeugen, moͤgen dieſe herrlichen Augen<lb/>
den deinigen ſagen, daß ich in den Armen<lb/>
einer andern dir gehoͤrte; moͤgeſt du fuͤhlen,<lb/>
Ottilie, recht fuͤhlen, daß ich jenen Fehler,<lb/>
jenes Verbrechen nur in deinen Armen ab¬<lb/>
buͤßen kann!</p><lb/><p>Horch! rief er aus, indem er aufſprang<lb/>
und einen Schuß zu hoͤren glaubte, als das<lb/></p></div></body></text></TEI>
[250/0253]
Seele mit dem ungluͤcklichen Gedanken er¬
ſchrecken, daß Mann und Frau entfremdet
ſich einander ans Herz druͤcken und einen ge¬
ſetzlichen Bund durch lebhafte Wuͤnſche ent¬
heiligen koͤnnen! Oder ja, da wir einmal ſo
weit ſind, da mein Verhaͤltniß zu Charlotten
getrennt werden muß, da du die meinige ſeyn
wirſt, warum ſoll ich es nicht ſagen! Warum
ſoll ich das harte Wort nicht ausſprechen:
dieß Kind iſt aus einem doppelten Ehbruch
erzeugt! es trennt mich von meiner Gattinn
und meine Gattinn von mir, wie es uns haͤt¬
te verbinden ſollen. Mag es denn gegen
mich zeugen, moͤgen dieſe herrlichen Augen
den deinigen ſagen, daß ich in den Armen
einer andern dir gehoͤrte; moͤgeſt du fuͤhlen,
Ottilie, recht fuͤhlen, daß ich jenen Fehler,
jenes Verbrechen nur in deinen Armen ab¬
buͤßen kann!
Horch! rief er aus, indem er aufſprang
und einen Schuß zu hoͤren glaubte, als das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/253>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.