sam fortgerissen bis sie die Inseln, die Wer¬ der, weit hinter sich hatten und der Fluß wieder breit und gemächlich zu fließen an¬ fing. Nun erst ermannte, nun erholte er sich aus der ersten zudringenden Noth, in der er ohne Besinnung nur mechanisch gehan¬ delt; er blickte mit emporstrebendem Haupt umher und ruderte nach Vermögen einer fla¬ chen buschigten Stelle zu, die sich angenehm und gelegen in den Fluß verlief. Dort brachte er seine schöne Beute aufs Trockne; aber kein Lebenshauch war in ihr zu spüren. Er war in Verzweiflung, als ihm ein betretener Pfad der durchs Gebüsch lief, in die Augen leuch¬ tete. Er belud sich aufs neue mit der theu¬ ren Last, er erblickte bald eine einsame Woh¬ nung und erreichte sie. Dort fand er gute Leute, ein junges Ehepaar. Das Unglück, die Noth sprach sich geschwind aus. Was er nach einiger Besinnung forderte, ward gelei¬ stet. Ein lichtes Feuer brannte; wollne De¬ cken wurden über ein Lager gebreitet; Pelze,
14 *
ſam fortgeriſſen bis ſie die Inſeln, die Wer¬ der, weit hinter ſich hatten und der Fluß wieder breit und gemaͤchlich zu fließen an¬ fing. Nun erſt ermannte, nun erholte er ſich aus der erſten zudringenden Noth, in der er ohne Beſinnung nur mechaniſch gehan¬ delt; er blickte mit emporſtrebendem Haupt umher und ruderte nach Vermoͤgen einer fla¬ chen buſchigten Stelle zu, die ſich angenehm und gelegen in den Fluß verlief. Dort brachte er ſeine ſchoͤne Beute aufs Trockne; aber kein Lebenshauch war in ihr zu ſpuͤren. Er war in Verzweiflung, als ihm ein betretener Pfad der durchs Gebuͤſch lief, in die Augen leuch¬ tete. Er belud ſich aufs neue mit der theu¬ ren Laſt, er erblickte bald eine einſame Woh¬ nung und erreichte ſie. Dort fand er gute Leute, ein junges Ehepaar. Das Ungluͤck, die Noth ſprach ſich geſchwind aus. Was er nach einiger Beſinnung forderte, ward gelei¬ ſtet. Ein lichtes Feuer brannte; wollne De¬ cken wurden uͤber ein Lager gebreitet; Pelze,
14 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0214"n="211"/>ſam fortgeriſſen bis ſie die Inſeln, die Wer¬<lb/>
der, weit hinter ſich hatten und der Fluß<lb/>
wieder breit und gemaͤchlich zu fließen an¬<lb/>
fing. Nun erſt ermannte, nun erholte er<lb/>ſich aus der erſten zudringenden Noth, in<lb/>
der er ohne Beſinnung nur mechaniſch gehan¬<lb/>
delt; er blickte mit emporſtrebendem Haupt<lb/>
umher und ruderte nach Vermoͤgen einer fla¬<lb/>
chen buſchigten Stelle zu, die ſich angenehm<lb/>
und gelegen in den Fluß verlief. Dort brachte<lb/>
er ſeine ſchoͤne Beute aufs Trockne; aber kein<lb/>
Lebenshauch war in ihr zu ſpuͤren. Er war<lb/>
in Verzweiflung, als ihm ein betretener Pfad<lb/>
der durchs Gebuͤſch lief, in die Augen leuch¬<lb/>
tete. Er belud ſich aufs neue mit der theu¬<lb/>
ren Laſt, er erblickte bald eine einſame Woh¬<lb/>
nung und erreichte ſie. Dort fand er gute<lb/>
Leute, ein junges Ehepaar. Das Ungluͤck,<lb/>
die Noth ſprach ſich geſchwind aus. Was er<lb/>
nach einiger Beſinnung forderte, ward gelei¬<lb/>ſtet. Ein lichtes Feuer brannte; wollne De¬<lb/>
cken wurden uͤber ein Lager gebreitet; Pelze,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">14 *<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[211/0214]
ſam fortgeriſſen bis ſie die Inſeln, die Wer¬
der, weit hinter ſich hatten und der Fluß
wieder breit und gemaͤchlich zu fließen an¬
fing. Nun erſt ermannte, nun erholte er
ſich aus der erſten zudringenden Noth, in
der er ohne Beſinnung nur mechaniſch gehan¬
delt; er blickte mit emporſtrebendem Haupt
umher und ruderte nach Vermoͤgen einer fla¬
chen buſchigten Stelle zu, die ſich angenehm
und gelegen in den Fluß verlief. Dort brachte
er ſeine ſchoͤne Beute aufs Trockne; aber kein
Lebenshauch war in ihr zu ſpuͤren. Er war
in Verzweiflung, als ihm ein betretener Pfad
der durchs Gebuͤſch lief, in die Augen leuch¬
tete. Er belud ſich aufs neue mit der theu¬
ren Laſt, er erblickte bald eine einſame Woh¬
nung und erreichte ſie. Dort fand er gute
Leute, ein junges Ehepaar. Das Ungluͤck,
die Noth ſprach ſich geſchwind aus. Was er
nach einiger Beſinnung forderte, ward gelei¬
ſtet. Ein lichtes Feuer brannte; wollne De¬
cken wurden uͤber ein Lager gebreitet; Pelze,
14 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/214>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.