Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

meine Leute gelassen ein und auf, und wir
fahren zu Hofraum und Stadt hinaus.
Und bey allen diesen Vortheilen, wenn ich es
genau berechne, habe ich am Ende des Jahrs
nicht mehr ausgegeben, als es mich zu Hause
gekostet hätte.

Bey dieser Schilderung sah Ottilie nur
Eduarden vor sich, wie er nun auch, mit Ent¬
behren und Beschwerde, auf ungebahnten
Straßen hinziehe, mit Gefahr und Noth zu
Felde liege, und bey so viel Unbestand und
Wagniß sich gewöhne heimatlos und freund¬
los zu seyn, alles wegzuwerfen nur um
nicht verlieren zu können. Glücklicherweise
trennte sich die Gesellschaft für einige Zeit.
Ottilie fand Raum sich in der Einsamkeit
auszuweinen. Gewaltsamer hatte sie kein
dumpfer Schmerz ergriffen, als diese Klar¬
heit, die sie sich noch klarer zu machen streb¬
te, wie man es zu thun pflegt, daß man sich

II. 13

meine Leute gelaſſen ein und auf, und wir
fahren zu Hofraum und Stadt hinaus.
Und bey allen dieſen Vortheilen, wenn ich es
genau berechne, habe ich am Ende des Jahrs
nicht mehr ausgegeben, als es mich zu Hauſe
gekoſtet haͤtte.

Bey dieſer Schilderung ſah Ottilie nur
Eduarden vor ſich, wie er nun auch, mit Ent¬
behren und Beſchwerde, auf ungebahnten
Straßen hinziehe, mit Gefahr und Noth zu
Felde liege, und bey ſo viel Unbeſtand und
Wagniß ſich gewoͤhne heimatlos und freund¬
los zu ſeyn, alles wegzuwerfen nur um
nicht verlieren zu koͤnnen. Gluͤcklicherweiſe
trennte ſich die Geſellſchaft fuͤr einige Zeit.
Ottilie fand Raum ſich in der Einſamkeit
auszuweinen. Gewaltſamer hatte ſie kein
dumpfer Schmerz ergriffen, als dieſe Klar¬
heit, die ſie ſich noch klarer zu machen ſtreb¬
te, wie man es zu thun pflegt, daß man ſich

II. 13
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0196" n="193"/>
meine Leute gela&#x017F;&#x017F;en ein und auf, und wir<lb/>
fahren zu Hofraum und Stadt hinaus.<lb/>
Und bey allen die&#x017F;en Vortheilen, wenn ich es<lb/>
genau berechne, habe ich am Ende des Jahrs<lb/>
nicht mehr ausgegeben, als es mich zu Hau&#x017F;e<lb/>
geko&#x017F;tet ha&#x0364;tte.</p><lb/>
        <p>Bey die&#x017F;er Schilderung &#x017F;ah Ottilie nur<lb/>
Eduarden vor &#x017F;ich, wie er nun auch, mit Ent¬<lb/>
behren und Be&#x017F;chwerde, auf ungebahnten<lb/>
Straßen hinziehe, mit Gefahr und Noth zu<lb/>
Felde liege, und bey &#x017F;o viel Unbe&#x017F;tand und<lb/>
Wagniß &#x017F;ich gewo&#x0364;hne heimatlos und freund¬<lb/>
los zu &#x017F;eyn, alles wegzuwerfen nur um<lb/>
nicht verlieren zu ko&#x0364;nnen. Glu&#x0364;cklicherwei&#x017F;e<lb/>
trennte &#x017F;ich die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft fu&#x0364;r einige Zeit.<lb/>
Ottilie fand Raum &#x017F;ich in der Ein&#x017F;amkeit<lb/>
auszuweinen. Gewalt&#x017F;amer hatte &#x017F;ie kein<lb/>
dumpfer Schmerz ergriffen, als die&#x017F;e Klar¬<lb/>
heit, die &#x017F;ie &#x017F;ich noch klarer zu machen &#x017F;treb¬<lb/>
te, wie man es zu thun pflegt, daß man &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II</hi>. 13<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0196] meine Leute gelaſſen ein und auf, und wir fahren zu Hofraum und Stadt hinaus. Und bey allen dieſen Vortheilen, wenn ich es genau berechne, habe ich am Ende des Jahrs nicht mehr ausgegeben, als es mich zu Hauſe gekoſtet haͤtte. Bey dieſer Schilderung ſah Ottilie nur Eduarden vor ſich, wie er nun auch, mit Ent¬ behren und Beſchwerde, auf ungebahnten Straßen hinziehe, mit Gefahr und Noth zu Felde liege, und bey ſo viel Unbeſtand und Wagniß ſich gewoͤhne heimatlos und freund¬ los zu ſeyn, alles wegzuwerfen nur um nicht verlieren zu koͤnnen. Gluͤcklicherweiſe trennte ſich die Geſellſchaft fuͤr einige Zeit. Ottilie fand Raum ſich in der Einſamkeit auszuweinen. Gewaltſamer hatte ſie kein dumpfer Schmerz ergriffen, als dieſe Klar¬ heit, die ſie ſich noch klarer zu machen ſtreb¬ te, wie man es zu thun pflegt, daß man ſich II. 13

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/196
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/196>, abgerufen am 03.05.2024.