Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Damen vor und unterhielt sie, theils durch
das Bild, theils durch die Auslegung. Sie
freuten sich, hier in ihrer Einsamkeit die
Welt so bequem zu durchreisen, Ufer und
Häfen, Berge, Seen und Flüsse, Städte,
Castelle und manches andre Local, das in
der Geschichte einen Namen hat, vor sich vor¬
beyziehen zu sehen.

Jede von beyden Frauen hatte ein beson¬
deres Interesse; Charlotte das allgemeinere,
gerade an dem, wo sich etwas historisch
merkwürdiges fand, während Ottilie sich vor¬
züglich bey den Gegenden aufhielt, wovon
Eduard viel zu erzählen pflegte, wo er gern
verweilt, wohin er öfters zurückgekehrt: denn
jeder Mensch hat in der Nähe und in der
Ferne gewisse örtliche Einzelnheiten die ihn
anziehen, die ihm, seinem Character nach,
um des ersten Eindrucks, gewisser Umstände,
der Gewohnheit willen, besonders lieb und
aufregend sind.

Damen vor und unterhielt ſie, theils durch
das Bild, theils durch die Auslegung. Sie
freuten ſich, hier in ihrer Einſamkeit die
Welt ſo bequem zu durchreiſen, Ufer und
Haͤfen, Berge, Seen und Fluͤſſe, Staͤdte,
Caſtelle und manches andre Local, das in
der Geſchichte einen Namen hat, vor ſich vor¬
beyziehen zu ſehen.

Jede von beyden Frauen hatte ein beſon¬
deres Intereſſe; Charlotte das allgemeinere,
gerade an dem, wo ſich etwas hiſtoriſch
merkwuͤrdiges fand, waͤhrend Ottilie ſich vor¬
zuͤglich bey den Gegenden aufhielt, wovon
Eduard viel zu erzaͤhlen pflegte, wo er gern
verweilt, wohin er oͤfters zuruͤckgekehrt: denn
jeder Menſch hat in der Naͤhe und in der
Ferne gewiſſe oͤrtliche Einzelnheiten die ihn
anziehen, die ihm, ſeinem Character nach,
um des erſten Eindrucks, gewiſſer Umſtaͤnde,
der Gewohnheit willen, beſonders lieb und
aufregend ſind.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0190" n="187"/>
Damen vor und unterhielt &#x017F;ie, theils durch<lb/>
das Bild, theils durch die Auslegung. Sie<lb/>
freuten &#x017F;ich, hier in ihrer Ein&#x017F;amkeit die<lb/>
Welt &#x017F;o bequem zu durchrei&#x017F;en, Ufer und<lb/>
Ha&#x0364;fen, Berge, Seen und Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, Sta&#x0364;dte,<lb/>
Ca&#x017F;telle und manches andre Local, das in<lb/>
der Ge&#x017F;chichte einen Namen hat, vor &#x017F;ich vor¬<lb/>
beyziehen zu &#x017F;ehen.</p><lb/>
        <p>Jede von beyden Frauen hatte ein be&#x017F;on¬<lb/>
deres Intere&#x017F;&#x017F;e; Charlotte das allgemeinere,<lb/>
gerade an dem, wo &#x017F;ich etwas hi&#x017F;tori&#x017F;ch<lb/>
merkwu&#x0364;rdiges fand, wa&#x0364;hrend Ottilie &#x017F;ich vor¬<lb/>
zu&#x0364;glich bey den Gegenden aufhielt, wovon<lb/>
Eduard viel zu erza&#x0364;hlen pflegte, wo er gern<lb/>
verweilt, wohin er o&#x0364;fters zuru&#x0364;ckgekehrt: denn<lb/>
jeder Men&#x017F;ch hat in der Na&#x0364;he und in der<lb/>
Ferne gewi&#x017F;&#x017F;e o&#x0364;rtliche Einzelnheiten die ihn<lb/>
anziehen, die ihm, &#x017F;einem Character nach,<lb/>
um des er&#x017F;ten Eindrucks, gewi&#x017F;&#x017F;er Um&#x017F;ta&#x0364;nde,<lb/>
der Gewohnheit willen, be&#x017F;onders lieb und<lb/>
aufregend &#x017F;ind.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0190] Damen vor und unterhielt ſie, theils durch das Bild, theils durch die Auslegung. Sie freuten ſich, hier in ihrer Einſamkeit die Welt ſo bequem zu durchreiſen, Ufer und Haͤfen, Berge, Seen und Fluͤſſe, Staͤdte, Caſtelle und manches andre Local, das in der Geſchichte einen Namen hat, vor ſich vor¬ beyziehen zu ſehen. Jede von beyden Frauen hatte ein beſon¬ deres Intereſſe; Charlotte das allgemeinere, gerade an dem, wo ſich etwas hiſtoriſch merkwuͤrdiges fand, waͤhrend Ottilie ſich vor¬ zuͤglich bey den Gegenden aufhielt, wovon Eduard viel zu erzaͤhlen pflegte, wo er gern verweilt, wohin er oͤfters zuruͤckgekehrt: denn jeder Menſch hat in der Naͤhe und in der Ferne gewiſſe oͤrtliche Einzelnheiten die ihn anziehen, die ihm, ſeinem Character nach, um des erſten Eindrucks, gewiſſer Umſtaͤnde, der Gewohnheit willen, beſonders lieb und aufregend ſind.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/190
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/190>, abgerufen am 02.05.2024.