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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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dieser bedurfte man, und in kurzer Zeit war
das Gebäude im Stande. Keller und Küche
wurden schnell eingerichtet: denn in der Entfer¬
nung vom Schlosse mußte man alle Bedürf¬
nisse um sich versammeln. So wohnten die
Frauenzimmer mit dem Kinde nun oben, und
von diesem Aufenthalt, als von einem neuen
Mittelpunkt, eröffneten sich ihnen unerwartete
Spaziergänge. Sie genossen vergnüglich in
einer höheren Region der freyen frischen Luft
bey dem schönsten Wetter.

Ottiliens liebster Weg, theils allein, theils
mit dem Kinde, ging herunter nach den Pla¬
tanen auf einem bequemen Fußsteig, der so¬
dann zu dem Puncte leitete, wo einer der
Kähne angebunden war, mit denen man
überzufahren pflegte. Sie erfreute sich manch¬
mal einer Wasserfahrt; allein ohne das Kind,
weil Charlotte deshalb einige Besorgniß zeigte.
Doch verfehlte sie nicht, täglich den Gärtner
im Schloßgarten zu besuchen und an seiner

dieſer bedurfte man, und in kurzer Zeit war
das Gebaͤude im Stande. Keller und Kuͤche
wurden ſchnell eingerichtet: denn in der Entfer¬
nung vom Schloſſe mußte man alle Beduͤrf¬
niſſe um ſich verſammeln. So wohnten die
Frauenzimmer mit dem Kinde nun oben, und
von dieſem Aufenthalt, als von einem neuen
Mittelpunkt, eroͤffneten ſich ihnen unerwartete
Spaziergaͤnge. Sie genoſſen vergnuͤglich in
einer hoͤheren Region der freyen friſchen Luft
bey dem ſchoͤnſten Wetter.

Ottiliens liebſter Weg, theils allein, theils
mit dem Kinde, ging herunter nach den Pla¬
tanen auf einem bequemen Fußſteig, der ſo¬
dann zu dem Puncte leitete, wo einer der
Kaͤhne angebunden war, mit denen man
uͤberzufahren pflegte. Sie erfreute ſich manch¬
mal einer Waſſerfahrt; allein ohne das Kind,
weil Charlotte deshalb einige Beſorgniß zeigte.
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[183/0186] dieſer bedurfte man, und in kurzer Zeit war das Gebaͤude im Stande. Keller und Kuͤche wurden ſchnell eingerichtet: denn in der Entfer¬ nung vom Schloſſe mußte man alle Beduͤrf¬ niſſe um ſich verſammeln. So wohnten die Frauenzimmer mit dem Kinde nun oben, und von dieſem Aufenthalt, als von einem neuen Mittelpunkt, eroͤffneten ſich ihnen unerwartete Spaziergaͤnge. Sie genoſſen vergnuͤglich in einer hoͤheren Region der freyen friſchen Luft bey dem ſchoͤnſten Wetter. Ottiliens liebſter Weg, theils allein, theils mit dem Kinde, ging herunter nach den Pla¬ tanen auf einem bequemen Fußſteig, der ſo¬ dann zu dem Puncte leitete, wo einer der Kaͤhne angebunden war, mit denen man uͤberzufahren pflegte. Sie erfreute ſich manch¬ mal einer Waſſerfahrt; allein ohne das Kind, weil Charlotte deshalb einige Beſorgniß zeigte. Doch verfehlte ſie nicht, taͤglich den Gaͤrtner im Schloßgarten zu beſuchen und an ſeiner

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/186>, abgerufen am 22.11.2024.