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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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Abschiede noch ein Geschenk mit einer Weste,
an der er sie beyde lange Zeit hatte stricken
sehen, mit einem stillen Neid über den unbe¬
kannten Glücklichen dem sie dereinst werden
könnte. Eine solche Gabe ist die angenehmste
die ein liebender, verehrender Mann erhal¬
ten mag: denn wenn er dabey des unermü¬
deten Spiels der schönen Finger gedenkt, so
kann er nicht umhin sich zu schmeicheln, das
Herz werde bey einer so anhaltenden Arbeit
doch auch nicht ganz ohne Theilnahme geblie¬
ben seyn.

Die Frauen hatten nun einen neuen Mann
zu bewirthen, dem sie wohlwollten und dem
es bey ihnen wohl werden sollte. Das weib¬
liche Geschlecht hegt ein eignes inneres un¬
wandelbares Interesse, von dem sie nichts in
der Welt abtrünnig macht; im äußern geselli¬
gen Verhältniß hingegen lassen sie sich gern
und leicht durch den Mann bestimmen der
sie eben beschäftigt, und so durch Abweisen

Abſchiede noch ein Geſchenk mit einer Weſte,
an der er ſie beyde lange Zeit hatte ſtricken
ſehen, mit einem ſtillen Neid uͤber den unbe¬
kannten Gluͤcklichen dem ſie dereinſt werden
koͤnnte. Eine ſolche Gabe iſt die angenehmſte
die ein liebender, verehrender Mann erhal¬
ten mag: denn wenn er dabey des unermuͤ¬
deten Spiels der ſchoͤnen Finger gedenkt, ſo
kann er nicht umhin ſich zu ſchmeicheln, das
Herz werde bey einer ſo anhaltenden Arbeit
doch auch nicht ganz ohne Theilnahme geblie¬
ben ſeyn.

Die Frauen hatten nun einen neuen Mann
zu bewirthen, dem ſie wohlwollten und dem
es bey ihnen wohl werden ſollte. Das weib¬
liche Geſchlecht hegt ein eignes inneres un¬
wandelbares Intereſſe, von dem ſie nichts in
der Welt abtruͤnnig macht; im aͤußern geſelli¬
gen Verhaͤltniß hingegen laſſen ſie ſich gern
und leicht durch den Mann beſtimmen der
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[125/0128] Abſchiede noch ein Geſchenk mit einer Weſte, an der er ſie beyde lange Zeit hatte ſtricken ſehen, mit einem ſtillen Neid uͤber den unbe¬ kannten Gluͤcklichen dem ſie dereinſt werden koͤnnte. Eine ſolche Gabe iſt die angenehmſte die ein liebender, verehrender Mann erhal¬ ten mag: denn wenn er dabey des unermuͤ¬ deten Spiels der ſchoͤnen Finger gedenkt, ſo kann er nicht umhin ſich zu ſchmeicheln, das Herz werde bey einer ſo anhaltenden Arbeit doch auch nicht ganz ohne Theilnahme geblie¬ ben ſeyn. Die Frauen hatten nun einen neuen Mann zu bewirthen, dem ſie wohlwollten und dem es bey ihnen wohl werden ſollte. Das weib¬ liche Geſchlecht hegt ein eignes inneres un¬ wandelbares Intereſſe, von dem ſie nichts in der Welt abtruͤnnig macht; im aͤußern geſelli¬ gen Verhaͤltniß hingegen laſſen ſie ſich gern und leicht durch den Mann beſtimmen der ſie eben beſchaͤftigt, und ſo durch Abweiſen

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/128>, abgerufen am 21.11.2024.