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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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hang sich hob, war Charlotte wirklich über¬
rascht. Das Bild das sich ihr vorstellte, war
so oft in der Welt wiederhohlt, daß man
kaum einen neuen Eindruck davon erwarten
sollte. Aber hier hatte die Wirklichkeit als
Bild ihre besondern Vorzüge. Der ganze
Raum war eher nächtlich als dämmernd, und
doch nichts undeutlich im Einzelnen der Umge¬
bung. Den unübertrefflichen Gedanken, daß
alles Licht vom Kinde ausgehe, hatte der
Künstler durch einen klugen Mechanismus der
Beleuchtung auszuführen gewußt, der durch
die beschatteten, nur von Streiflichtern er¬
leuchteten Figuren im Vordergrunde zugedeckt
wurde. Frohe Mädchen und Knaben stan¬
den umher; die frischen Gesichter scharf von
unten beleuchtet. Auch an Engeln fehlte es
nicht, deren eigener Schein von dem göttli¬
chen verdunkelt, deren ätherischer Leib vor
dem göttlich-menschlichen verdichtet und lichts¬
bedürftig schien.

hang ſich hob, war Charlotte wirklich uͤber¬
raſcht. Das Bild das ſich ihr vorſtellte, war
ſo oft in der Welt wiederhohlt, daß man
kaum einen neuen Eindruck davon erwarten
ſollte. Aber hier hatte die Wirklichkeit als
Bild ihre beſondern Vorzuͤge. Der ganze
Raum war eher naͤchtlich als daͤmmernd, und
doch nichts undeutlich im Einzelnen der Umge¬
bung. Den unuͤbertrefflichen Gedanken, daß
alles Licht vom Kinde ausgehe, hatte der
Kuͤnſtler durch einen klugen Mechanismus der
Beleuchtung auszufuͤhren gewußt, der durch
die beſchatteten, nur von Streiflichtern er¬
leuchteten Figuren im Vordergrunde zugedeckt
wurde. Frohe Maͤdchen und Knaben ſtan¬
den umher; die friſchen Geſichter ſcharf von
unten beleuchtet. Auch an Engeln fehlte es
nicht, deren eigener Schein von dem goͤttli¬
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dem goͤttlich-menſchlichen verdichtet und lichts¬
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[117/0120] hang ſich hob, war Charlotte wirklich uͤber¬ raſcht. Das Bild das ſich ihr vorſtellte, war ſo oft in der Welt wiederhohlt, daß man kaum einen neuen Eindruck davon erwarten ſollte. Aber hier hatte die Wirklichkeit als Bild ihre beſondern Vorzuͤge. Der ganze Raum war eher naͤchtlich als daͤmmernd, und doch nichts undeutlich im Einzelnen der Umge¬ bung. Den unuͤbertrefflichen Gedanken, daß alles Licht vom Kinde ausgehe, hatte der Kuͤnſtler durch einen klugen Mechanismus der Beleuchtung auszufuͤhren gewußt, der durch die beſchatteten, nur von Streiflichtern er¬ leuchteten Figuren im Vordergrunde zugedeckt wurde. Frohe Maͤdchen und Knaben ſtan¬ den umher; die friſchen Geſichter ſcharf von unten beleuchtet. Auch an Engeln fehlte es nicht, deren eigener Schein von dem goͤttli¬ chen verdunkelt, deren aͤtheriſcher Leib vor dem goͤttlich-menſchlichen verdichtet und lichts¬ beduͤrftig ſchien.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/120>, abgerufen am 23.11.2024.