Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

verlegen über seinen Antrag wies ihn mit
seiner Bitte an Charlotten. Diese ertheilte
ihm gern die Erlaubniß, und auch durch sie
ward die Scheu Ottiliens, sich jener heiligen
Gestalt anzumaßen, auf eine freundliche Weise
überwunden. Der Architect arbeitete Tag
und Nacht, damit am Weihnachtsabend
nichts fehlen möge.

Und zwar Tag und Nacht im eigentlichen
Sinne. Er hatte ohnehin wenig Bedürfnisse,
und Ottiliens Gegenwart schien ihm statt al¬
les Labsals zu seyn; indem er um ihretwil¬
len arbeitete, war es als wenn er keines
Schlafs, indem er sich um sie beschäftigte,
keiner Speise bedürfte. Zur feyerlichen Abend¬
stunde war deshalb alles fertig und bereit.
Es war ihm möglich gewesen wohltönende
Blasinstrumente zu versammeln, welche die
Einleitung machten und die gewünschte Stim¬
mung hervorzubringen wußten. Als der Vor¬

verlegen uͤber ſeinen Antrag wies ihn mit
ſeiner Bitte an Charlotten. Dieſe ertheilte
ihm gern die Erlaubniß, und auch durch ſie
ward die Scheu Ottiliens, ſich jener heiligen
Geſtalt anzumaßen, auf eine freundliche Weiſe
uͤberwunden. Der Architect arbeitete Tag
und Nacht, damit am Weihnachtsabend
nichts fehlen moͤge.

Und zwar Tag und Nacht im eigentlichen
Sinne. Er hatte ohnehin wenig Beduͤrfniſſe,
und Ottiliens Gegenwart ſchien ihm ſtatt al¬
les Labſals zu ſeyn; indem er um ihretwil¬
len arbeitete, war es als wenn er keines
Schlafs, indem er ſich um ſie beſchaͤftigte,
keiner Speiſe beduͤrfte. Zur feyerlichen Abend¬
ſtunde war deshalb alles fertig und bereit.
Es war ihm moͤglich geweſen wohltoͤnende
Blasinſtrumente zu verſammeln, welche die
Einleitung machten und die gewuͤnſchte Stim¬
mung hervorzubringen wußten. Als der Vor¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0119" n="116"/>
verlegen u&#x0364;ber &#x017F;einen Antrag wies ihn mit<lb/>
&#x017F;einer Bitte an Charlotten. Die&#x017F;e ertheilte<lb/>
ihm gern die Erlaubniß, und auch durch &#x017F;ie<lb/>
ward die Scheu Ottiliens, &#x017F;ich jener heiligen<lb/>
Ge&#x017F;talt anzumaßen, auf eine freundliche Wei&#x017F;e<lb/>
u&#x0364;berwunden. Der Architect arbeitete Tag<lb/>
und Nacht, damit am Weihnachtsabend<lb/>
nichts fehlen mo&#x0364;ge.</p><lb/>
        <p>Und zwar Tag und Nacht im eigentlichen<lb/>
Sinne. Er hatte ohnehin wenig Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
und Ottiliens Gegenwart &#x017F;chien ihm &#x017F;tatt al¬<lb/>
les Lab&#x017F;als zu &#x017F;eyn; indem er um ihretwil¬<lb/>
len arbeitete, war es als wenn er keines<lb/>
Schlafs, indem er &#x017F;ich um &#x017F;ie be&#x017F;cha&#x0364;ftigte,<lb/>
keiner Spei&#x017F;e bedu&#x0364;rfte. Zur feyerlichen Abend¬<lb/>
&#x017F;tunde war deshalb alles fertig und bereit.<lb/>
Es war ihm mo&#x0364;glich gewe&#x017F;en wohlto&#x0364;nende<lb/>
Blasin&#x017F;trumente zu ver&#x017F;ammeln, welche die<lb/>
Einleitung machten und die gewu&#x0364;n&#x017F;chte Stim¬<lb/>
mung hervorzubringen wußten. Als der Vor¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0119] verlegen uͤber ſeinen Antrag wies ihn mit ſeiner Bitte an Charlotten. Dieſe ertheilte ihm gern die Erlaubniß, und auch durch ſie ward die Scheu Ottiliens, ſich jener heiligen Geſtalt anzumaßen, auf eine freundliche Weiſe uͤberwunden. Der Architect arbeitete Tag und Nacht, damit am Weihnachtsabend nichts fehlen moͤge. Und zwar Tag und Nacht im eigentlichen Sinne. Er hatte ohnehin wenig Beduͤrfniſſe, und Ottiliens Gegenwart ſchien ihm ſtatt al¬ les Labſals zu ſeyn; indem er um ihretwil¬ len arbeitete, war es als wenn er keines Schlafs, indem er ſich um ſie beſchaͤftigte, keiner Speiſe beduͤrfte. Zur feyerlichen Abend¬ ſtunde war deshalb alles fertig und bereit. Es war ihm moͤglich geweſen wohltoͤnende Blasinſtrumente zu verſammeln, welche die Einleitung machten und die gewuͤnſchte Stim¬ mung hervorzubringen wußten. Als der Vor¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/119
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/119>, abgerufen am 05.05.2024.