Charlotte stand betroffen. Sie war geist¬ reich genug, um schnell einzusehen, daß jene Recht hatten; aber das Gethane widersprach, es war nun einmal so gemacht; sie hatte es recht, sie hatte es wünschenswerth gefunden, selbst das Getadelte war ihr in jedem einzel¬ nen Theile lieb; sie widerstrebte der Ueber¬ zeugung, sie vertheidigte ihre kleine Schöp¬ fung, sie schalt auf die Männer, die gleich ins Weite und Große gingen, aus einem Scherz, aus einer Unterhaltung gleich ein Werk ma¬ chen wollten, nicht an die Kosten denken, die ein erweiteter Plan durchaus nach sich zieht. Sie war bewegt, verletzt, verdrießlich; sie konnte das Alte nicht fahren lassen, das Neue nicht ganz abweisen; aber entschlossen wie sie war, stellte sie sogleich die Arbeit ein und nahm sich Zeit, die Sache zu bedenken und bey sich reif werden zu lassen.
Indem sie nun auch diese thätige Unter¬ haltung vermißte, da indeß die Männer ihr
Charlotte ſtand betroffen. Sie war geiſt¬ reich genug, um ſchnell einzuſehen, daß jene Recht hatten; aber das Gethane widerſprach, es war nun einmal ſo gemacht; ſie hatte es recht, ſie hatte es wuͤnſchenswerth gefunden, ſelbſt das Getadelte war ihr in jedem einzel¬ nen Theile lieb; ſie widerſtrebte der Ueber¬ zeugung, ſie vertheidigte ihre kleine Schoͤp¬ fung, ſie ſchalt auf die Maͤnner, die gleich ins Weite und Große gingen, aus einem Scherz, aus einer Unterhaltung gleich ein Werk ma¬ chen wollten, nicht an die Koſten denken, die ein erweiteter Plan durchaus nach ſich zieht. Sie war bewegt, verletzt, verdrießlich; ſie konnte das Alte nicht fahren laſſen, das Neue nicht ganz abweiſen; aber entſchloſſen wie ſie war, ſtellte ſie ſogleich die Arbeit ein und nahm ſich Zeit, die Sache zu bedenken und bey ſich reif werden zu laſſen.
Indem ſie nun auch dieſe thaͤtige Unter¬ haltung vermißte, da indeß die Maͤnner ihr
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Charlotte ſtand betroffen. Sie war geiſt¬
reich genug, um ſchnell einzuſehen, daß jene
Recht hatten; aber das Gethane widerſprach,
es war nun einmal ſo gemacht; ſie hatte es
recht, ſie hatte es wuͤnſchenswerth gefunden,
ſelbſt das Getadelte war ihr in jedem einzel¬
nen Theile lieb; ſie widerſtrebte der Ueber¬
zeugung, ſie vertheidigte ihre kleine Schoͤp¬
fung, ſie ſchalt auf die Maͤnner, die gleich
ins Weite und Große gingen, aus einem Scherz,
aus einer Unterhaltung gleich ein Werk ma¬
chen wollten, nicht an die Koſten denken, die
ein erweiteter Plan durchaus nach ſich zieht.
Sie war bewegt, verletzt, verdrießlich; ſie
konnte das Alte nicht fahren laſſen, das Neue
nicht ganz abweiſen; aber entſchloſſen wie ſie
war, ſtellte ſie ſogleich die Arbeit ein und
nahm ſich Zeit, die Sache zu bedenken und
bey ſich reif werden zu laſſen.
Indem ſie nun auch dieſe thaͤtige Unter¬
haltung vermißte, da indeß die Maͤnner ihr
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/61>, abgerufen am 23.11.2024.
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