Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

man auf ihn das Zutrauen setzte, daß er sie
vertreiben würde.

Eduard übersah das ganze Verhältniß
recht deutlich und mahlte es noch recht scharf
aus. Wollen wir unsern Freund in einem
solchen Zustande wissen? rief er: Du kannst
nicht so grausam seyn, Charlotte!

Der wunderliche Mann, unser Mittler,
versetzte Charlotte, hat am Ende doch Recht.
Alle solche Unternehmungen sind Wagestücke.
Was daraus werden kann sieht kein Mensch
voraus. Solche neue Verhältnisse können
fruchtbar seyn an Glück und an Unglück, ohne
daß wir uns dabey Verdienst oder Schuld
sonderlich zurechnen dürfen. Ich fühle mich
nicht stark genug dir länger zu widerstehen.
Laß uns den Versuch machen. Das einzige
was ich dich bitte: es sey nur auf kurze Zeit
angesehen. Erlaube mir, daß ich mich thätiger
als bisher für ihn verwende, und meinen Ein¬

man auf ihn das Zutrauen ſetzte, daß er ſie
vertreiben wuͤrde.

Eduard uͤberſah das ganze Verhaͤltniß
recht deutlich und mahlte es noch recht ſcharf
aus. Wollen wir unſern Freund in einem
ſolchen Zuſtande wiſſen? rief er: Du kannſt
nicht ſo grauſam ſeyn, Charlotte!

Der wunderliche Mann, unſer Mittler,
verſetzte Charlotte, hat am Ende doch Recht.
Alle ſolche Unternehmungen ſind Wageſtuͤcke.
Was daraus werden kann ſieht kein Menſch
voraus. Solche neue Verhaͤltniſſe koͤnnen
fruchtbar ſeyn an Gluͤck und an Ungluͤck, ohne
daß wir uns dabey Verdienſt oder Schuld
ſonderlich zurechnen duͤrfen. Ich fuͤhle mich
nicht ſtark genug dir laͤnger zu widerſtehen.
Laß uns den Verſuch machen. Das einzige
was ich dich bitte: es ſey nur auf kurze Zeit
angeſehen. Erlaube mir, daß ich mich thaͤtiger
als bisher fuͤr ihn verwende, und meinen Ein¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045" n="40"/>
man auf ihn das Zutrauen &#x017F;etzte, daß er &#x017F;ie<lb/>
vertreiben wu&#x0364;rde.</p><lb/>
        <p>Eduard u&#x0364;ber&#x017F;ah das ganze Verha&#x0364;ltniß<lb/>
recht deutlich und mahlte es noch recht &#x017F;charf<lb/>
aus. Wollen wir un&#x017F;ern Freund in einem<lb/>
&#x017F;olchen Zu&#x017F;tande wi&#x017F;&#x017F;en? rief er: Du kann&#x017F;t<lb/>
nicht &#x017F;o grau&#x017F;am &#x017F;eyn, Charlotte!</p><lb/>
        <p>Der wunderliche Mann, un&#x017F;er Mittler,<lb/>
ver&#x017F;etzte Charlotte, hat am Ende doch Recht.<lb/>
Alle &#x017F;olche Unternehmungen &#x017F;ind Wage&#x017F;tu&#x0364;cke.<lb/>
Was daraus werden kann &#x017F;ieht kein Men&#x017F;ch<lb/>
voraus. Solche neue Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e ko&#x0364;nnen<lb/>
fruchtbar &#x017F;eyn an Glu&#x0364;ck und an Unglu&#x0364;ck, ohne<lb/>
daß wir uns dabey Verdien&#x017F;t oder Schuld<lb/>
&#x017F;onderlich zurechnen du&#x0364;rfen. Ich fu&#x0364;hle mich<lb/>
nicht &#x017F;tark genug dir la&#x0364;nger zu wider&#x017F;tehen.<lb/>
Laß uns den Ver&#x017F;uch machen. Das einzige<lb/>
was ich dich bitte: es &#x017F;ey nur auf kurze Zeit<lb/>
ange&#x017F;ehen. Erlaube mir, daß ich mich tha&#x0364;tiger<lb/>
als bisher fu&#x0364;r ihn verwende, und meinen Ein¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0045] man auf ihn das Zutrauen ſetzte, daß er ſie vertreiben wuͤrde. Eduard uͤberſah das ganze Verhaͤltniß recht deutlich und mahlte es noch recht ſcharf aus. Wollen wir unſern Freund in einem ſolchen Zuſtande wiſſen? rief er: Du kannſt nicht ſo grauſam ſeyn, Charlotte! Der wunderliche Mann, unſer Mittler, verſetzte Charlotte, hat am Ende doch Recht. Alle ſolche Unternehmungen ſind Wageſtuͤcke. Was daraus werden kann ſieht kein Menſch voraus. Solche neue Verhaͤltniſſe koͤnnen fruchtbar ſeyn an Gluͤck und an Ungluͤck, ohne daß wir uns dabey Verdienſt oder Schuld ſonderlich zurechnen duͤrfen. Ich fuͤhle mich nicht ſtark genug dir laͤnger zu widerſtehen. Laß uns den Verſuch machen. Das einzige was ich dich bitte: es ſey nur auf kurze Zeit angeſehen. Erlaube mir, daß ich mich thaͤtiger als bisher fuͤr ihn verwende, und meinen Ein¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/45
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/45>, abgerufen am 26.04.2024.