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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

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was sich an ihnen bilden läßt, oder was man
ihnen ein für allemal zugestehen und verzei¬
hen muß.

Sie fand zwar bey dieser Untersuchung
nichts neues, aber manches Bekannte ward
ihr bedeutender und auffallender. So konnte
ihr z. B. Ottiliens Mäßigkeit im Essen und
Trinken wirklich Sorge machen.

Das nächste was die Frauen beschäftigte
war der Anzug. Charlotte verlangte von Ot¬
tilien, sie solle in Kleidern reicher und mehr
ausgesucht erscheinen. Sogleich schnitt das
gute thätige Kind die ihr früher geschenkten
Stoffe selbst zu und wußte sie sich, mit ge¬
ringer Beyhülfe anderer, schnell und höchst
zierlich anzupassen. Die neuen, modischen
Gewänder erhöhten ihre Gestalt: denn indem
das Angenehme einer Person sich auch über
ihre Hülle verbreitet, so glaubt man sie im¬
mer wieder von neuem und anmuthiger zu

was ſich an ihnen bilden laͤßt, oder was man
ihnen ein fuͤr allemal zugeſtehen und verzei¬
hen muß.

Sie fand zwar bey dieſer Unterſuchung
nichts neues, aber manches Bekannte ward
ihr bedeutender und auffallender. So konnte
ihr z. B. Ottiliens Maͤßigkeit im Eſſen und
Trinken wirklich Sorge machen.

Das naͤchſte was die Frauen beſchaͤftigte
war der Anzug. Charlotte verlangte von Ot¬
tilien, ſie ſolle in Kleidern reicher und mehr
ausgeſucht erſcheinen. Sogleich ſchnitt das
gute thaͤtige Kind die ihr fruͤher geſchenkten
Stoffe ſelbſt zu und wußte ſie ſich, mit ge¬
ringer Beyhuͤlfe anderer, ſchnell und hoͤchſt
zierlich anzupaſſen. Die neuen, modiſchen
Gewaͤnder erhoͤhten ihre Geſtalt: denn indem
das Angenehme einer Perſon ſich auch uͤber
ihre Huͤlle verbreitet, ſo glaubt man ſie im¬
mer wieder von neuem und anmuthiger zu

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[108/0113] was ſich an ihnen bilden laͤßt, oder was man ihnen ein fuͤr allemal zugeſtehen und verzei¬ hen muß. Sie fand zwar bey dieſer Unterſuchung nichts neues, aber manches Bekannte ward ihr bedeutender und auffallender. So konnte ihr z. B. Ottiliens Maͤßigkeit im Eſſen und Trinken wirklich Sorge machen. Das naͤchſte was die Frauen beſchaͤftigte war der Anzug. Charlotte verlangte von Ot¬ tilien, ſie ſolle in Kleidern reicher und mehr ausgeſucht erſcheinen. Sogleich ſchnitt das gute thaͤtige Kind die ihr fruͤher geſchenkten Stoffe ſelbſt zu und wußte ſie ſich, mit ge¬ ringer Beyhuͤlfe anderer, ſchnell und hoͤchſt zierlich anzupaſſen. Die neuen, modiſchen Gewaͤnder erhoͤhten ihre Geſtalt: denn indem das Angenehme einer Perſon ſich auch uͤber ihre Huͤlle verbreitet, ſo glaubt man ſie im¬ mer wieder von neuem und anmuthiger zu

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/113>, abgerufen am 22.11.2024.