Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Ein Schauspiel. Tasso. Was auch in meinem Liede wiederklingt, Ich bin nur Einer, Einer alles schuldig! Es schwebt kein geistig unbestimmtes Bild Vor meiner Stirne, das der Seele bald Sich überglänzend nahte, bald entzöge. Mit meinen Augen hab' ich es gesehn, Das Urbild jeder Tugend, jeder Schöne; Was ich nach ihm gebildet, das wird bleiben: Tancredens Heldenliebe zu Chlorinden, Erminiens stille nicht bemerkte Treue, Sophroniens Großheit und Olindens Noth. Es sind nicht Schatten, die der Wahn erzeugte, Ich weiß es, sie sind ewig, denn sie sind. Und was hat mehr das Recht, Jahrhunderte Zu bleiben und im Stillen fortzuwirken, Als das Geheimniß einer edlen Liebe, Dem holden Lied bescheiden anvertraut? Prinzessinn. Und soll ich dir noch einen Vorzug sagen, Den unvermerkt sich dieses Lied erschleicht? Ein Schauſpiel. Taſſo. Was auch in meinem Liede wiederklingt, Ich bin nur Einer, Einer alles ſchuldig! Es ſchwebt kein geiſtig unbeſtimmtes Bild Vor meiner Stirne, das der Seele bald Sich überglänzend nahte, bald entzöge. Mit meinen Augen hab’ ich es geſehn, Das Urbild jeder Tugend, jeder Schöne; Was ich nach ihm gebildet, das wird bleiben: Tancredens Heldenliebe zu Chlorinden, Erminiens ſtille nicht bemerkte Treue, Sophroniens Großheit und Olindens Noth. Es ſind nicht Schatten, die der Wahn erzeugte, Ich weiß es, ſie ſind ewig, denn ſie ſind. Und was hat mehr das Recht, Jahrhunderte Zu bleiben und im Stillen fortzuwirken, Als das Geheimniß einer edlen Liebe, Dem holden Lied beſcheiden anvertraut? Prinzeſſinn. Und ſoll ich dir noch einen Vorzug ſagen, Den unvermerkt ſich dieſes Lied erſchleicht? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0079" n="71"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schauſpiel</hi>.</fw><lb/> <sp who="#TAS"> <speaker><hi rendition="#g">Taſſo</hi>.</speaker><lb/> <p>Was auch in meinem Liede wiederklingt,<lb/> Ich bin nur Einer, Einer alles ſchuldig!<lb/> Es ſchwebt kein geiſtig unbeſtimmtes Bild<lb/> Vor meiner Stirne, das der Seele bald<lb/> Sich überglänzend nahte, bald entzöge.<lb/> Mit meinen Augen hab’ ich es geſehn,<lb/> Das Urbild jeder Tugend, jeder Schöne;<lb/> Was ich nach ihm gebildet, das wird bleiben:<lb/> Tancredens Heldenliebe zu Chlorinden,<lb/> Erminiens ſtille nicht bemerkte Treue,<lb/> Sophroniens Großheit und Olindens Noth.<lb/> Es ſind nicht Schatten, die der Wahn erzeugte,<lb/> Ich weiß es, ſie ſind ewig, denn ſie ſind.<lb/> Und was hat mehr das Recht, Jahrhunderte<lb/> Zu bleiben und im Stillen fortzuwirken,<lb/> Als das Geheimniß einer edlen Liebe,<lb/> Dem holden Lied beſcheiden anvertraut?</p> </sp><lb/> <sp who="#PRI"> <speaker><hi rendition="#g">Prinzeſſinn</hi>.</speaker><lb/> <p>Und ſoll ich dir noch einen Vorzug ſagen,<lb/> Den unvermerkt ſich dieſes Lied erſchleicht?<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [71/0079]
Ein Schauſpiel.
Taſſo.
Was auch in meinem Liede wiederklingt,
Ich bin nur Einer, Einer alles ſchuldig!
Es ſchwebt kein geiſtig unbeſtimmtes Bild
Vor meiner Stirne, das der Seele bald
Sich überglänzend nahte, bald entzöge.
Mit meinen Augen hab’ ich es geſehn,
Das Urbild jeder Tugend, jeder Schöne;
Was ich nach ihm gebildet, das wird bleiben:
Tancredens Heldenliebe zu Chlorinden,
Erminiens ſtille nicht bemerkte Treue,
Sophroniens Großheit und Olindens Noth.
Es ſind nicht Schatten, die der Wahn erzeugte,
Ich weiß es, ſie ſind ewig, denn ſie ſind.
Und was hat mehr das Recht, Jahrhunderte
Zu bleiben und im Stillen fortzuwirken,
Als das Geheimniß einer edlen Liebe,
Dem holden Lied beſcheiden anvertraut?
Prinzeſſinn.
Und ſoll ich dir noch einen Vorzug ſagen,
Den unvermerkt ſich dieſes Lied erſchleicht?
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