Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite
Torquato Tasso
Daß man am Ende meiner gar vergesse;
Drum soll ich mich zum Müßiggang gewöh-
nen,
Drum soll ich mich und meine Sinne scho-
nen.
O werthe Freundschaft, theure Sorglichkeit!
Abscheulich dacht' ich die Verschwörung mir,
Die unsichtbar und rastlos mich umspann,
Allein abscheulicher ist es geworden.

Und du, Sirene! die du mich so zart,
So himmlisch angelockt, ich sehe nun
Dich auf einmal! O Gott, warum so spät!

Allein wir selbst betrügen uns so gern,
Und ehren die Verworfnen, die uns ehren.
Die Menschen kennen sich einander nicht;
Nur die Galerensclaven kennen sich,
Die eng' an Eine Bank geschmiedet keuchen;
Wo keiner was zu fordern hat und keiner
Was zu verlieren hat, die kennen sich!
Torquato Taſſo
Daß man am Ende meiner gar vergeſſe;
Drum ſoll ich mich zum Müßiggang gewöh-
nen,
Drum ſoll ich mich und meine Sinne ſcho-
nen.
O werthe Freundſchaft, theure Sorglichkeit!
Abſcheulich dacht’ ich die Verſchwörung mir,
Die unſichtbar und raſtlos mich umſpann,
Allein abſcheulicher iſt es geworden.

Und du, Sirene! die du mich ſo zart,
So himmliſch angelockt, ich ſehe nun
Dich auf einmal! O Gott, warum ſo ſpät!

Allein wir ſelbſt betrügen uns ſo gern,
Und ehren die Verworfnen, die uns ehren.
Die Menſchen kennen ſich einander nicht;
Nur die Galerenſclaven kennen ſich,
Die eng’ an Eine Bank geſchmiedet keuchen;
Wo keiner was zu fordern hat und keiner
Was zu verlieren hat, die kennen ſich!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#TAS">
              <p><pb facs="#f0222" n="214"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Torquato Ta&#x017F;&#x017F;o</hi></fw><lb/>
Daß man am Ende meiner gar verge&#x017F;&#x017F;e;<lb/>
Drum &#x017F;oll ich mich zum Müßiggang gewöh-<lb/>
nen,<lb/>
Drum &#x017F;oll ich mich und meine Sinne &#x017F;cho-<lb/>
nen.<lb/>
O werthe Freund&#x017F;chaft, theure Sorglichkeit!<lb/>
Ab&#x017F;cheulich dacht&#x2019; ich die Ver&#x017F;chwörung mir,<lb/>
Die un&#x017F;ichtbar und ra&#x017F;tlos mich um&#x017F;pann,<lb/>
Allein ab&#x017F;cheulicher i&#x017F;t es geworden.</p><lb/>
              <p>Und du, Sirene! die du mich &#x017F;o zart,<lb/>
So himmli&#x017F;ch angelockt, ich &#x017F;ehe nun<lb/>
Dich auf einmal! O Gott, warum &#x017F;o &#x017F;pät!</p><lb/>
              <p>Allein wir &#x017F;elb&#x017F;t betrügen uns &#x017F;o gern,<lb/>
Und ehren die Verworfnen, die uns ehren.<lb/>
Die Men&#x017F;chen kennen &#x017F;ich einander nicht;<lb/>
Nur die Galeren&#x017F;claven kennen &#x017F;ich,<lb/>
Die eng&#x2019; an Eine Bank ge&#x017F;chmiedet keuchen;<lb/>
Wo keiner was zu fordern hat und keiner<lb/>
Was zu verlieren hat, die kennen &#x017F;ich!<lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0222] Torquato Taſſo Daß man am Ende meiner gar vergeſſe; Drum ſoll ich mich zum Müßiggang gewöh- nen, Drum ſoll ich mich und meine Sinne ſcho- nen. O werthe Freundſchaft, theure Sorglichkeit! Abſcheulich dacht’ ich die Verſchwörung mir, Die unſichtbar und raſtlos mich umſpann, Allein abſcheulicher iſt es geworden. Und du, Sirene! die du mich ſo zart, So himmliſch angelockt, ich ſehe nun Dich auf einmal! O Gott, warum ſo ſpät! Allein wir ſelbſt betrügen uns ſo gern, Und ehren die Verworfnen, die uns ehren. Die Menſchen kennen ſich einander nicht; Nur die Galerenſclaven kennen ſich, Die eng’ an Eine Bank geſchmiedet keuchen; Wo keiner was zu fordern hat und keiner Was zu verlieren hat, die kennen ſich!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790/222
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790/222>, abgerufen am 21.11.2024.