Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite
Ein Schauspiel.
Sein Ohr vernimmt den Einklang der Natur;
Was die Geschichte reicht, das Leben gibt,
Sein Busen nimmt es gleich und willig auf:
Das weit zerstreute sammelt sein Gemüth,
Und sein Gefühl belebt das Unbelebte.
Oft adelt er was uns gemein erschien,
Und das Geschätzte wird vor ihm zu nichts.
In diesem eignen Zauberkreise wandelt
Der wunderbare Mann und zieht uns an
Mit ihm zu wandeln, Theil an ihm zu nehmen:
Er scheint sich uns zu nahn, und bleibt uns fern;
Er scheint uns anzusehn, und Geister mögen
An unsrer Stelle seltsam ihm erscheinen.
Prinzessinn.
Du hast den Dichter fein und zart geschildert,
Der in den Reichen süßer Träume schwebt.
Allein mir scheint auch ihn das Wirkliche
Gewaltsam anzuziehn und fest zu halten.
Die schönen Lieder, die an unsern Bäumen
Wir hin und wieder angeheftet finden,
Die, goldnen Äpfeln gleich, ein neu Hesperien
Ein Schauſpiel.
Sein Ohr vernimmt den Einklang der Natur;
Was die Geſchichte reicht, das Leben gibt,
Sein Buſen nimmt es gleich und willig auf:
Das weit zerſtreute ſammelt ſein Gemüth,
Und ſein Gefühl belebt das Unbelebte.
Oft adelt er was uns gemein erſchien,
Und das Geſchätzte wird vor ihm zu nichts.
In dieſem eignen Zauberkreiſe wandelt
Der wunderbare Mann und zieht uns an
Mit ihm zu wandeln, Theil an ihm zu nehmen:
Er ſcheint ſich uns zu nahn, und bleibt uns fern;
Er ſcheint uns anzuſehn, und Geiſter mögen
An unſrer Stelle ſeltſam ihm erſcheinen.
Prinzeſſinn.
Du haſt den Dichter fein und zart geſchildert,
Der in den Reichen ſüßer Träume ſchwebt.
Allein mir ſcheint auch ihn das Wirkliche
Gewaltſam anzuziehn und feſt zu halten.
Die ſchönen Lieder, die an unſern Bäumen
Wir hin und wieder angeheftet finden,
Die, goldnen Äpfeln gleich, ein neu Hesperien
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#LEO">
              <p><pb facs="#f0021" n="13"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schau&#x017F;piel</hi>.</fw><lb/>
Sein Ohr vernimmt den Einklang der Natur;<lb/>
Was die Ge&#x017F;chichte reicht, das Leben gibt,<lb/>
Sein Bu&#x017F;en nimmt es gleich und willig auf:<lb/>
Das weit zer&#x017F;treute &#x017F;ammelt &#x017F;ein Gemüth,<lb/>
Und &#x017F;ein Gefühl belebt das Unbelebte.<lb/>
Oft adelt er was uns gemein er&#x017F;chien,<lb/>
Und das Ge&#x017F;chätzte wird vor ihm zu nichts.<lb/>
In die&#x017F;em eignen Zauberkrei&#x017F;e wandelt<lb/>
Der wunderbare Mann und zieht uns an<lb/>
Mit ihm zu wandeln, Theil an ihm zu nehmen:<lb/>
Er &#x017F;cheint &#x017F;ich uns zu nahn, und bleibt uns fern;<lb/>
Er &#x017F;cheint uns anzu&#x017F;ehn, und Gei&#x017F;ter mögen<lb/>
An un&#x017F;rer Stelle &#x017F;elt&#x017F;am ihm er&#x017F;cheinen.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#PRI">
              <speaker><hi rendition="#g">Prinze&#x017F;&#x017F;inn</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Du ha&#x017F;t den Dichter fein und zart ge&#x017F;childert,<lb/>
Der in den Reichen &#x017F;üßer Träume &#x017F;chwebt.<lb/>
Allein mir &#x017F;cheint auch ihn das Wirkliche<lb/>
Gewalt&#x017F;am anzuziehn und fe&#x017F;t zu halten.<lb/>
Die &#x017F;chönen Lieder, die an un&#x017F;ern Bäumen<lb/>
Wir hin und wieder angeheftet finden,<lb/>
Die, goldnen Äpfeln gleich, ein neu Hesperien<lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0021] Ein Schauſpiel. Sein Ohr vernimmt den Einklang der Natur; Was die Geſchichte reicht, das Leben gibt, Sein Buſen nimmt es gleich und willig auf: Das weit zerſtreute ſammelt ſein Gemüth, Und ſein Gefühl belebt das Unbelebte. Oft adelt er was uns gemein erſchien, Und das Geſchätzte wird vor ihm zu nichts. In dieſem eignen Zauberkreiſe wandelt Der wunderbare Mann und zieht uns an Mit ihm zu wandeln, Theil an ihm zu nehmen: Er ſcheint ſich uns zu nahn, und bleibt uns fern; Er ſcheint uns anzuſehn, und Geiſter mögen An unſrer Stelle ſeltſam ihm erſcheinen. Prinzeſſinn. Du haſt den Dichter fein und zart geſchildert, Der in den Reichen ſüßer Träume ſchwebt. Allein mir ſcheint auch ihn das Wirkliche Gewaltſam anzuziehn und feſt zu halten. Die ſchönen Lieder, die an unſern Bäumen Wir hin und wieder angeheftet finden, Die, goldnen Äpfeln gleich, ein neu Hesperien

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790/21
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790/21>, abgerufen am 25.04.2024.