Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Torquato Tasso Leonore. Die Zukunft gibt dir deine Freunde wieder, Und bringt dir neue Freude, neues Glück. Prinzessinn. Was ich besitze, mag ich gern bewahren: Der Wechsel unterhält, doch nutzt er kaum. Mit jugendlicher Sehnsucht griff ich nie Begierig in den Loostopf fremder Welt, Für mein bedürfend unerfahren Herz Zufällig einen Gegenstand zu haschen. Ihn mußt' ich ehren, darum liebt' ich ihn; Ich mußt' ihn lieben, weil mit ihm mein Leben Zum Leben ward, wie ich es nie gekannt; Erst sagt' ich mir, entferne dich von ihm! Ich wich und wich und kam nur immer näher, So lieblich angelockt, so hart bestraft! Ein reines, wahres Gut verschwindet mir, Und meiner Sehnsucht schiebt ein böser Geist Statt Freud' und Glück verwandte Schmerzen unter. Torquato Taſſo Leonore. Die Zukunft gibt dir deine Freunde wieder, Und bringt dir neue Freude, neues Glück. Prinzeſſinn. Was ich beſitze, mag ich gern bewahren: Der Wechſel unterhält, doch nutzt er kaum. Mit jugendlicher Sehnſucht griff ich nie Begierig in den Loostopf fremder Welt, Für mein bedürfend unerfahren Herz Zufällig einen Gegenſtand zu haſchen. Ihn mußt’ ich ehren, darum liebt’ ich ihn; Ich mußt’ ihn lieben, weil mit ihm mein Leben Zum Leben ward, wie ich es nie gekannt; Erſt ſagt’ ich mir, entferne dich von ihm! Ich wich und wich und kam nur immer näher, So lieblich angelockt, ſo hart beſtraft! Ein reines, wahres Gut verſchwindet mir, Und meiner Sehnſucht ſchiebt ein böſer Geiſt Statt Freud’ und Glück verwandte Schmerzen unter. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0130" n="122"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Torquato Taſſo</hi> </fw><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker><hi rendition="#g">Leonore</hi>.</speaker><lb/> <p>Die Zukunft gibt dir deine Freunde wieder,<lb/> Und bringt dir neue Freude, neues Glück.</p> </sp><lb/> <sp who="#PRI"> <speaker><hi rendition="#g">Prinzeſſinn</hi>.</speaker><lb/> <p>Was ich beſitze, mag ich gern bewahren:<lb/> Der Wechſel unterhält, doch nutzt er kaum.<lb/> Mit jugendlicher Sehnſucht griff ich nie<lb/> Begierig in den Loostopf fremder Welt,<lb/> Für mein bedürfend unerfahren Herz<lb/> Zufällig einen Gegenſtand zu haſchen.<lb/> Ihn mußt’ ich ehren, darum liebt’ ich ihn;<lb/> Ich mußt’ ihn lieben, weil mit ihm mein<lb/> Leben<lb/> Zum Leben ward, wie ich es nie gekannt;<lb/> Erſt ſagt’ ich mir, entferne dich von ihm!<lb/> Ich wich und wich und kam nur immer näher,<lb/> So lieblich angelockt, ſo hart beſtraft!<lb/> Ein reines, wahres Gut verſchwindet mir,<lb/> Und meiner Sehnſucht ſchiebt ein böſer Geiſt<lb/> Statt Freud’ und Glück verwandte Schmerzen<lb/> unter.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0130]
Torquato Taſſo
Leonore.
Die Zukunft gibt dir deine Freunde wieder,
Und bringt dir neue Freude, neues Glück.
Prinzeſſinn.
Was ich beſitze, mag ich gern bewahren:
Der Wechſel unterhält, doch nutzt er kaum.
Mit jugendlicher Sehnſucht griff ich nie
Begierig in den Loostopf fremder Welt,
Für mein bedürfend unerfahren Herz
Zufällig einen Gegenſtand zu haſchen.
Ihn mußt’ ich ehren, darum liebt’ ich ihn;
Ich mußt’ ihn lieben, weil mit ihm mein
Leben
Zum Leben ward, wie ich es nie gekannt;
Erſt ſagt’ ich mir, entferne dich von ihm!
Ich wich und wich und kam nur immer näher,
So lieblich angelockt, ſo hart beſtraft!
Ein reines, wahres Gut verſchwindet mir,
Und meiner Sehnſucht ſchiebt ein böſer Geiſt
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790/130>, abgerufen am 16.02.2025. |