Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.Ein Schauspiel. Prinzessinn. Ach daß wir doch dem reinen stillen Wink Des Herzens nachzugehn so sehr verlernen! Ganz leise spricht ein Gott in unsrer Brust, Ganz leise, ganz vernehmlich, zeigt uns an, Was zu ergreifen ist und was zu fliehn. Antonio erschien mir heute früh Viel schroffer noch als je, in sich gezogner. Es warnte mich mein Geist, als neben ihn Sich Tasso stellte. Sieh das Äußre nur Von beyden an, das Angesicht, den Ton, Den Blick, den Tritt! es widerstrebt sich alles, Sie können ewig keine Liebe wechseln. Doch überredete die Hoffnung mich, Die Gleisnerinn, sie sind vernünftig beyde, Sind edel, unterrichtet, deine Freunde; Und welch ein Band ist sichrer als der Guten? Ich trieb den Jüngling an; er gab sich ganz; Wie schön, wie warm ergab er ganz sich mir! O hätt' ich gleich Antonio gesprochen! Ich zauderte; es war nur kurze Zeit; Ich scheute mich, gleich mit den ersten Worten Ein Schauſpiel. Prinzeſſinn. Ach daß wir doch dem reinen ſtillen Wink Des Herzens nachzugehn ſo ſehr verlernen! Ganz leiſe ſpricht ein Gott in unſrer Bruſt, Ganz leiſe, ganz vernehmlich, zeigt uns an, Was zu ergreifen iſt und was zu fliehn. Antonio erſchien mir heute früh Viel ſchroffer noch als je, in ſich gezogner. Es warnte mich mein Geiſt, als neben ihn Sich Taſſo ſtellte. Sieh das Äußre nur Von beyden an, das Angeſicht, den Ton, Den Blick, den Tritt! es widerſtrebt ſich alles, Sie können ewig keine Liebe wechſeln. Doch überredete die Hoffnung mich, Die Gleisnerinn, ſie ſind vernünftig beyde, Sind edel, unterrichtet, deine Freunde; Und welch ein Band iſt ſichrer als der Guten? Ich trieb den Jüngling an; er gab ſich ganz; Wie ſchön, wie warm ergab er ganz ſich mir! O hätt’ ich gleich Antonio geſprochen! Ich zauderte; es war nur kurze Zeit; Ich ſcheute mich, gleich mit den erſten Worten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0117" n="109"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schauſpiel</hi>.</fw><lb/> <sp who="#PRI"> <speaker><hi rendition="#g">Prinzeſſinn</hi>.</speaker><lb/> <p>Ach daß wir doch dem reinen ſtillen Wink<lb/> Des Herzens nachzugehn ſo ſehr verlernen!<lb/> Ganz leiſe ſpricht ein Gott in unſrer Bruſt,<lb/> Ganz leiſe, ganz vernehmlich, zeigt uns an,<lb/> Was zu ergreifen iſt und was zu fliehn.<lb/> Antonio erſchien mir heute früh<lb/> Viel ſchroffer noch als je, in ſich gezogner.<lb/> Es warnte mich mein Geiſt, als neben ihn<lb/> Sich Taſſo ſtellte. Sieh das Äußre nur<lb/> Von beyden an, das Angeſicht, den Ton,<lb/> Den Blick, den Tritt! es widerſtrebt ſich alles,<lb/> Sie können ewig keine Liebe wechſeln.<lb/> Doch überredete die Hoffnung mich,<lb/> Die Gleisnerinn, ſie ſind vernünftig beyde,<lb/> Sind edel, unterrichtet, deine Freunde;<lb/> Und welch ein Band iſt ſichrer als der Guten?<lb/> Ich trieb den Jüngling an; er gab ſich ganz;<lb/> Wie ſchön, wie warm ergab er ganz ſich mir!<lb/> O hätt’ ich gleich Antonio geſprochen!<lb/> Ich zauderte; es war nur kurze Zeit;<lb/> Ich ſcheute mich, gleich mit den erſten Worten<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [109/0117]
Ein Schauſpiel.
Prinzeſſinn.
Ach daß wir doch dem reinen ſtillen Wink
Des Herzens nachzugehn ſo ſehr verlernen!
Ganz leiſe ſpricht ein Gott in unſrer Bruſt,
Ganz leiſe, ganz vernehmlich, zeigt uns an,
Was zu ergreifen iſt und was zu fliehn.
Antonio erſchien mir heute früh
Viel ſchroffer noch als je, in ſich gezogner.
Es warnte mich mein Geiſt, als neben ihn
Sich Taſſo ſtellte. Sieh das Äußre nur
Von beyden an, das Angeſicht, den Ton,
Den Blick, den Tritt! es widerſtrebt ſich alles,
Sie können ewig keine Liebe wechſeln.
Doch überredete die Hoffnung mich,
Die Gleisnerinn, ſie ſind vernünftig beyde,
Sind edel, unterrichtet, deine Freunde;
Und welch ein Band iſt ſichrer als der Guten?
Ich trieb den Jüngling an; er gab ſich ganz;
Wie ſchön, wie warm ergab er ganz ſich mir!
O hätt’ ich gleich Antonio geſprochen!
Ich zauderte; es war nur kurze Zeit;
Ich ſcheute mich, gleich mit den erſten Worten
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