Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite


von da zu den unausgebildeten Pflanzen herab,
so scheint sich der Unterschied zwischen beyden
selbst vor den Blicken des schärfsten Beobachters
zu verlieren. Es giebt unbezweifelte Samen,
unbezweifelte Gemmen; aber der Punct, wo
wirklich befruchtete, durch die Wirkung zweyer
Geschlechter von der Mutterpflanze isolirte Samen
mit Gemmen zusammentreffen, welche aus der
Pflanze nur hervordringen und sich ohne bemerk-
bare Ursache loslösen, ist wohl mit dem Verstande,
keineswegs aber mit den Sinnen zu erkennen.

§. 93.

Dieses wohlerwogen, werden wir folgern
dürfen: dass die Samen welche sich durch ihren
eingeschlossenen Zustand von den Augen, durch
die sichtbare Ursache ihrer Bildung und Absondrung
von den Gemmen unterscheiden, dennoch mit
beyden nahe verwandt sind.



von da zu den unausgebildeten Pflanzen herab,
ſo ſcheint ſich der Unterſchied zwiſchen beyden
ſelbſt vor den Blicken des ſchärfſten Beobachters
zu verlieren. Es giebt unbezweifelte Samen,
unbezweifelte Gemmen; aber der Punct, wo
wirklich befruchtete, durch die Wirkung zweyer
Geſchlechter von der Mutterpflanze iſolirte Samen
mit Gemmen zuſammentreffen, welche aus der
Pflanze nur hervordringen und ſich ohne bemerk-
bare Urſache loſlöſen, iſt wohl mit dem Verſtande,
keineswegs aber mit den Sinnen zu erkennen.

§. 93.

Dieſes wohlerwogen, werden wir folgern
dürfen: daſs die Samen welche ſich durch ihren
eingeſchloſsenen Zuſtand von den Augen, durch
die ſichtbare Urſache ihrer Bildung und Abſondrung
von den Gemmen unterſcheiden, dennoch mit
beyden nahe verwandt ſind.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0077" n="62"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/> von da zu den unausgebildeten Pflanzen herab,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;cheint &#x017F;ich der Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen beyden<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t vor den Blicken des &#x017F;chärf&#x017F;ten Beobachters<lb/>
zu verlieren. Es giebt unbezweifelte Samen,<lb/>
unbezweifelte Gemmen; aber der Punct, wo<lb/>
wirklich befruchtete, durch die Wirkung zweyer<lb/>
Ge&#x017F;chlechter von der Mutterpflanze i&#x017F;olirte Samen<lb/>
mit Gemmen zu&#x017F;ammentreffen, welche aus der<lb/>
Pflanze nur hervordringen und &#x017F;ich ohne bemerk-<lb/>
bare Ur&#x017F;ache lo&#x017F;&#x017F;en, i&#x017F;t wohl mit dem Ver&#x017F;tande,<lb/>
keineswegs aber mit den Sinnen zu erkennen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#c">§. 93.</hi> </head><lb/>
          <p>Die&#x017F;es wohlerwogen, werden wir folgern<lb/>
dürfen: da&#x017F;s die Samen welche &#x017F;ich durch ihren<lb/>
einge&#x017F;chlo&#x017F;senen Zu&#x017F;tand von den Augen, durch<lb/>
die &#x017F;ichtbare Ur&#x017F;ache ihrer Bildung und Ab&#x017F;ondrung<lb/>
von den Gemmen unter&#x017F;cheiden, dennoch mit<lb/>
beyden nahe verwandt &#x017F;ind.</p>
        </div>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0077] von da zu den unausgebildeten Pflanzen herab, ſo ſcheint ſich der Unterſchied zwiſchen beyden ſelbſt vor den Blicken des ſchärfſten Beobachters zu verlieren. Es giebt unbezweifelte Samen, unbezweifelte Gemmen; aber der Punct, wo wirklich befruchtete, durch die Wirkung zweyer Geſchlechter von der Mutterpflanze iſolirte Samen mit Gemmen zuſammentreffen, welche aus der Pflanze nur hervordringen und ſich ohne bemerk- bare Urſache loſlöſen, iſt wohl mit dem Verſtande, keineswegs aber mit den Sinnen zu erkennen. §. 93. Dieſes wohlerwogen, werden wir folgern dürfen: daſs die Samen welche ſich durch ihren eingeſchloſsenen Zuſtand von den Augen, durch die ſichtbare Urſache ihrer Bildung und Abſondrung von den Gemmen unterſcheiden, dennoch mit beyden nahe verwandt ſind.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Es existieren zwei Drucke des "Versuchs" von 1790… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_metamorphose_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_metamorphose_1790/77
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_metamorphose_1790/77>, abgerufen am 03.12.2024.