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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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nichts, er strebte nur mir etwas zu entdecken,
das ich leider nicht erfuhr. Sein Übel wieder¬
holte sich, er ward bald darauf ganz unthä¬
tig und unfähig; und nicht lange, so war er
todt.

Ich weiß nicht, wie sich bey mir der Ge¬
danke festgesetzt hatte, daß er irgendwo ei¬
nen Schatz niedergelegt habe, den er mir
nach seinem Tode lieber als meiner Mutter
gönnen wollte; ich suchte schon bey seinen
Lebzeiten nach, allein ich fand nichts, nach
seinem Tode ward alles versiegelt. Ich schrieb
meiner Mutter und bot ihr an als Verwal¬
ter im Hause zu bleiben, sie schlug es aus
und ich mußte das Gut räumen. Es kam
ein wechselseitiges Testament zum Vorschein,
wodurch sie im Besitz und Genuß von allem,
und ich, wenigstens ihre ganze Lebenszeit
über, von ihr abhängig blieb. Nun glaubte
ich erst recht die Winke meines Vaters zu

nichts, er ſtrebte nur mir etwas zu entdecken,
das ich leider nicht erfuhr. Sein Übel wieder¬
holte ſich, er ward bald darauf ganz unthä¬
tig und unfähig; und nicht lange, ſo war er
todt.

Ich weiß nicht, wie ſich bey mir der Ge¬
danke feſtgeſetzt hatte, daß er irgendwo ei¬
nen Schatz niedergelegt habe, den er mir
nach ſeinem Tode lieber als meiner Mutter
gönnen wollte; ich ſuchte ſchon bey ſeinen
Lebzeiten nach, allein ich fand nichts, nach
ſeinem Tode ward alles verſiegelt. Ich ſchrieb
meiner Mutter und bot ihr an als Verwal¬
ter im Hauſe zu bleiben, ſie ſchlug es aus
und ich mußte das Gut räumen. Es kam
ein wechſelſeitiges Teſtament zum Vorſchein,
wodurch ſie im Beſitz und Genuß von allem,
und ich, wenigſtens ihre ganze Lebenszeit
über, von ihr abhängig blieb. Nun glaubte
ich erſt recht die Winke meines Vaters zu

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[85/0089] nichts, er ſtrebte nur mir etwas zu entdecken, das ich leider nicht erfuhr. Sein Übel wieder¬ holte ſich, er ward bald darauf ganz unthä¬ tig und unfähig; und nicht lange, ſo war er todt. Ich weiß nicht, wie ſich bey mir der Ge¬ danke feſtgeſetzt hatte, daß er irgendwo ei¬ nen Schatz niedergelegt habe, den er mir nach ſeinem Tode lieber als meiner Mutter gönnen wollte; ich ſuchte ſchon bey ſeinen Lebzeiten nach, allein ich fand nichts, nach ſeinem Tode ward alles verſiegelt. Ich ſchrieb meiner Mutter und bot ihr an als Verwal¬ ter im Hauſe zu bleiben, ſie ſchlug es aus und ich mußte das Gut räumen. Es kam ein wechſelſeitiges Teſtament zum Vorſchein, wodurch ſie im Beſitz und Genuß von allem, und ich, wenigſtens ihre ganze Lebenszeit über, von ihr abhängig blieb. Nun glaubte ich erſt recht die Winke meines Vaters zu

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/89>, abgerufen am 23.11.2024.