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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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Altare gehen sollte. Sein Verstand hat mich
gewählt, sagte sie, sein Herz fordert Nata¬
lien, und mein Verstand wird seinem Herzen
zu Hülfe kommen. Wir wurden einig, Na¬
talien und sie zu beobachten, wir machten
den Abbe zu unserm Vertrauten, dem wir
versprechen mußten, keinen Schritt zu dieser
Verbindung zu thun, sondern alles seinen
Gang gehen zu lassen. Wir haben es ge¬
than. Die Natur hat gewirkt, und der tolle
Bruder hat nur die reife Frucht abgeschüt¬
telt. Lassen Sie uns, da wir einmal so
wunderbar zusammen kommen, nicht ein ge¬
meines Leben führen, lassen Sie uns zusam¬
men auf eine würdige Weise thätig seyn!
Unglaublich ist es, was ein gebildeter Mensch
für sich und andere thun kann, wenn er,
ohne herrschen zu wollen, das Gemüth hat
Vormund von Vielen zu seyn, sie leitet das¬
jenige zur rechten Zeit zu thun, was sie

Altare gehen ſollte. Sein Verſtand hat mich
gewählt, ſagte ſie, ſein Herz fordert Nata¬
lien, und mein Verſtand wird ſeinem Herzen
zu Hülfe kommen. Wir wurden einig, Na¬
talien und ſie zu beobachten, wir machten
den Abbé zu unſerm Vertrauten, dem wir
verſprechen mußten, keinen Schritt zu dieſer
Verbindung zu thun, ſondern alles ſeinen
Gang gehen zu laſſen. Wir haben es ge¬
than. Die Natur hat gewirkt, und der tolle
Bruder hat nur die reife Frucht abgeſchüt¬
telt. Laſſen Sie uns, da wir einmal ſo
wunderbar zuſammen kommen, nicht ein ge¬
meines Leben führen, laſſen Sie uns zuſam¬
men auf eine würdige Weiſe thätig ſeyn!
Unglaublich iſt es, was ein gebildeter Menſch
für ſich und andere thun kann, wenn er,
ohne herrſchen zu wollen, das Gemüth hat
Vormund von Vielen zu ſeyn, ſie leitet das¬
jenige zur rechten Zeit zu thun, was ſie

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[501/0505] Altare gehen ſollte. Sein Verſtand hat mich gewählt, ſagte ſie, ſein Herz fordert Nata¬ lien, und mein Verſtand wird ſeinem Herzen zu Hülfe kommen. Wir wurden einig, Na¬ talien und ſie zu beobachten, wir machten den Abbé zu unſerm Vertrauten, dem wir verſprechen mußten, keinen Schritt zu dieſer Verbindung zu thun, ſondern alles ſeinen Gang gehen zu laſſen. Wir haben es ge¬ than. Die Natur hat gewirkt, und der tolle Bruder hat nur die reife Frucht abgeſchüt¬ telt. Laſſen Sie uns, da wir einmal ſo wunderbar zuſammen kommen, nicht ein ge¬ meines Leben führen, laſſen Sie uns zuſam¬ men auf eine würdige Weiſe thätig ſeyn! Unglaublich iſt es, was ein gebildeter Menſch für ſich und andere thun kann, wenn er, ohne herrſchen zu wollen, das Gemüth hat Vormund von Vielen zu ſeyn, ſie leitet das¬ jenige zur rechten Zeit zu thun, was ſie

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/505>, abgerufen am 17.05.2024.