Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

haftig, ich verzeihe dem Schauspieler jeden
Fehler, der aus dem Selbstbetrug und aus
der Begierde, zu gefallen, entspringt; denn
wenn er sich und andern nicht etwas scheint,
so ist er nichts. Zum Schein ist er berufen,
er muß den augenblicklichen Beyfall hoch
schätzen, denn er erhält keinen andern Lohn;
er muß zu glänzen suchen, denn deswegen
steht er da.

Sie erlauben, versetzte Wilhelm, daß ich
wenigstens von meiner Seite lächele. Nie
hätte ich geglaubt, daß Sie so billig, so
nachsichtig seyn könnten.

Nein bey Gott! dies ist mein völliger,
wohlbedachter Ernst. Alle Fehler des Men¬
schen verzeih ich dem Schauspieler, keine
Fehler des Schauspielers verzeih ich dem
Menschen. Lassen Sie mich meine Klaglie¬
der hierüber nicht anstimmen, sie würden
heftiger klingen als die Ihrigen.

haftig, ich verzeihe dem Schauſpieler jeden
Fehler, der aus dem Selbſtbetrug und aus
der Begierde, zu gefallen, entſpringt; denn
wenn er ſich und andern nicht etwas ſcheint,
ſo iſt er nichts. Zum Schein iſt er berufen,
er muß den augenblicklichen Beyfall hoch
ſchätzen, denn er erhält keinen andern Lohn;
er muß zu glänzen ſuchen, denn deswegen
ſteht er da.

Sie erlauben, verſetzte Wilhelm, daß ich
wenigſtens von meiner Seite lächele. Nie
hätte ich geglaubt, daß Sie ſo billig, ſo
nachſichtig ſeyn könnten.

Nein bey Gott! dies iſt mein völliger,
wohlbedachter Ernſt. Alle Fehler des Men¬
ſchen verzeih ich dem Schauſpieler, keine
Fehler des Schauſpielers verzeih ich dem
Menſchen. Laſſen Sie mich meine Klaglie¬
der hierüber nicht anſtimmen, ſie würden
heftiger klingen als die Ihrigen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0048" n="44"/>
haftig, ich verzeihe dem Schau&#x017F;pieler jeden<lb/>
Fehler, der aus dem Selb&#x017F;tbetrug und aus<lb/>
der Begierde, zu gefallen, ent&#x017F;pringt; denn<lb/>
wenn er &#x017F;ich und andern nicht etwas &#x017F;cheint,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t er nichts. Zum Schein i&#x017F;t er berufen,<lb/>
er muß den augenblicklichen Beyfall hoch<lb/>
&#x017F;chätzen, denn er erhält keinen andern Lohn;<lb/>
er muß zu glänzen &#x017F;uchen, denn deswegen<lb/>
&#x017F;teht er da.</p><lb/>
            <p>Sie erlauben, ver&#x017F;etzte Wilhelm, daß ich<lb/>
wenig&#x017F;tens von meiner Seite lächele. Nie<lb/>
hätte ich geglaubt, daß Sie &#x017F;o billig, &#x017F;o<lb/>
nach&#x017F;ichtig &#x017F;eyn könnten.</p><lb/>
            <p>Nein bey Gott! dies i&#x017F;t mein völliger,<lb/>
wohlbedachter Ern&#x017F;t. Alle Fehler des Men¬<lb/>
&#x017F;chen verzeih ich dem Schau&#x017F;pieler, keine<lb/>
Fehler des Schau&#x017F;pielers verzeih ich dem<lb/>
Men&#x017F;chen. La&#x017F;&#x017F;en Sie mich meine Klaglie¬<lb/>
der hierüber nicht an&#x017F;timmen, &#x017F;ie würden<lb/>
heftiger klingen als die Ihrigen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0048] haftig, ich verzeihe dem Schauſpieler jeden Fehler, der aus dem Selbſtbetrug und aus der Begierde, zu gefallen, entſpringt; denn wenn er ſich und andern nicht etwas ſcheint, ſo iſt er nichts. Zum Schein iſt er berufen, er muß den augenblicklichen Beyfall hoch ſchätzen, denn er erhält keinen andern Lohn; er muß zu glänzen ſuchen, denn deswegen ſteht er da. Sie erlauben, verſetzte Wilhelm, daß ich wenigſtens von meiner Seite lächele. Nie hätte ich geglaubt, daß Sie ſo billig, ſo nachſichtig ſeyn könnten. Nein bey Gott! dies iſt mein völliger, wohlbedachter Ernſt. Alle Fehler des Men¬ ſchen verzeih ich dem Schauſpieler, keine Fehler des Schauſpielers verzeih ich dem Menſchen. Laſſen Sie mich meine Klaglie¬ der hierüber nicht anſtimmen, ſie würden heftiger klingen als die Ihrigen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/48
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/48>, abgerufen am 02.05.2024.