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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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könne. Wir entsetzten uns über die Ent¬
deckung, uns jammerte sein Zustand, wir
wußten uns nicht zu helfen, er versicherte
uns mit Heftigkeit, daß Sperata ein Kind
von ihm im Busen trage. Unser Beichtva¬
ter that alles, was ihm seine Pflicht eingab,
aber das Übel ward dadurch nur schlimmer.
Die Verhältnisse der Natur und der Reli¬
gion, der sittlichen Rechte und der bürger¬
lichen Gesetze wurden von meinem Bruder
aufs heftigste durchgefochten. Nichts schien
ihm heilig als das Verhältnis zu Sperata,
nichts schien ihm würdig als der Nahme
Vater und Gattin. Diese allein, rief er
aus, sind der Natur gemäß, alles andere
sind Grillen und Meinungen. Gab es nicht
edle Völker, die eine Heirath mit der Schwe¬
ster billigten? Nennt eure Götter nicht,
rief er aus, ihr braucht die Nahmen nie,
als wenn ihr uns bethören, uns von dem

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könne. Wir entſetzten uns über die Ent¬
deckung, uns jammerte ſein Zuſtand, wir
wußten uns nicht zu helfen, er verſicherte
uns mit Heftigkeit, daß Sperata ein Kind
von ihm im Buſen trage. Unſer Beichtva¬
ter that alles, was ihm ſeine Pflicht eingab,
aber das Übel ward dadurch nur ſchlimmer.
Die Verhältniſſe der Natur und der Reli¬
gion, der ſittlichen Rechte und der bürger¬
lichen Geſetze wurden von meinem Bruder
aufs heftigſte durchgefochten. Nichts ſchien
ihm heilig als das Verhältnis zu Sperata,
nichts ſchien ihm würdig als der Nahme
Vater und Gattin. Dieſe allein, rief er
aus, ſind der Natur gemäß, alles andere
ſind Grillen und Meinungen. Gab es nicht
edle Völker, die eine Heirath mit der Schwe¬
ſter billigten? Nennt eure Götter nicht,
rief er aus, ihr braucht die Nahmen nie,
als wenn ihr uns bethören, uns von dem

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[435/0439] könne. Wir entſetzten uns über die Ent¬ deckung, uns jammerte ſein Zuſtand, wir wußten uns nicht zu helfen, er verſicherte uns mit Heftigkeit, daß Sperata ein Kind von ihm im Buſen trage. Unſer Beichtva¬ ter that alles, was ihm ſeine Pflicht eingab, aber das Übel ward dadurch nur ſchlimmer. Die Verhältniſſe der Natur und der Reli¬ gion, der ſittlichen Rechte und der bürger¬ lichen Geſetze wurden von meinem Bruder aufs heftigſte durchgefochten. Nichts ſchien ihm heilig als das Verhältnis zu Sperata, nichts ſchien ihm würdig als der Nahme Vater und Gattin. Dieſe allein, rief er aus, ſind der Natur gemäß, alles andere ſind Grillen und Meinungen. Gab es nicht edle Völker, die eine Heirath mit der Schwe¬ ſter billigten? Nennt eure Götter nicht, rief er aus, ihr braucht die Nahmen nie, als wenn ihr uns bethören, uns von dem E e 2

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/439>, abgerufen am 22.11.2024.