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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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die ohngefähr zehn Jahr alt war, blieb sein
einziger Umgang. Dieser kaufte sich ein ar¬
tiges Gut in der Nachbarschaft, sah meinen
Vater zu bestimmten Tagen und Stunden
der Woche, in denen er auch manchmal seine
Tochter mitbrachte. Er widersprach meinem
Vater niemals, der sich zuletzt völlig an ihn
gewöhnte, und ihn als den einzigen erträg¬
lichen Gesellschafter duldete. Nach dem Tode
unseres Vaters merkten wir wohl, daß die¬
ser Mann von unserm Alten trefflich ausge¬
stattet worden war, und seine Zeit nicht um¬
sonst zugebracht hatte; er erweiterte seine
Güter, seine Tochter konnte eine schöne Mit¬
gift erwarten. Das Mädchen wuchs heran,
und war von sonderbarer Schönheit, mein
älterer Bruder scherzte oft mit mir, daß ich
mich um sie bewerben sollte.

Indessen hatte Bruder Augustin im Klo¬
ster seine Jahre in dem sonderbarsten Zu¬

die ohngefähr zehn Jahr alt war, blieb ſein
einziger Umgang. Dieſer kaufte ſich ein ar¬
tiges Gut in der Nachbarſchaft, ſah meinen
Vater zu beſtimmten Tagen und Stunden
der Woche, in denen er auch manchmal ſeine
Tochter mitbrachte. Er widerſprach meinem
Vater niemals, der ſich zuletzt völlig an ihn
gewöhnte, und ihn als den einzigen erträg¬
lichen Geſellſchafter duldete. Nach dem Tode
unſeres Vaters merkten wir wohl, daß die¬
ſer Mann von unſerm Alten trefflich ausge¬
ſtattet worden war, und ſeine Zeit nicht um¬
ſonſt zugebracht hatte; er erweiterte ſeine
Güter, ſeine Tochter konnte eine ſchöne Mit¬
gift erwarten. Das Mädchen wuchs heran,
und war von ſonderbarer Schönheit, mein
älterer Bruder ſcherzte oft mit mir, daß ich
mich um ſie bewerben ſollte.

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[430/0434] die ohngefähr zehn Jahr alt war, blieb ſein einziger Umgang. Dieſer kaufte ſich ein ar¬ tiges Gut in der Nachbarſchaft, ſah meinen Vater zu beſtimmten Tagen und Stunden der Woche, in denen er auch manchmal ſeine Tochter mitbrachte. Er widerſprach meinem Vater niemals, der ſich zuletzt völlig an ihn gewöhnte, und ihn als den einzigen erträg¬ lichen Geſellſchafter duldete. Nach dem Tode unſeres Vaters merkten wir wohl, daß die¬ ſer Mann von unſerm Alten trefflich ausge¬ ſtattet worden war, und ſeine Zeit nicht um¬ ſonſt zugebracht hatte; er erweiterte ſeine Güter, ſeine Tochter konnte eine ſchöne Mit¬ gift erwarten. Das Mädchen wuchs heran, und war von ſonderbarer Schönheit, mein älterer Bruder ſcherzte oft mit mir, daß ich mich um ſie bewerben ſollte. Indeſſen hatte Bruder Auguſtin im Klo¬ ſter ſeine Jahre in dem ſonderbarſten Zu¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/434>, abgerufen am 22.11.2024.