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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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Figuren. Er hatte als Jüngling mit dem
Oheim, der schon um vieles älter war, bey
der Armee, dann in Geschäften Bekannt¬
schaft gemacht, sie hatten nachher einen
großen Theil von Italien zusammen durch¬
reist, und die Kunstwerke, die der Markese
hier wieder fand, waren, zum großen Theil,
in seiner Gegenwart, und unter manchen
glücklichen Umständen, deren er sich noch
wohl erinnerte, gekauft und angeschafft
worden.

Der Italiener hat überhaupt ein tieferes
Gefühl für die hohe Würde der Kunst als
andere Nationen; jeder, der nur irgend et¬
was treibt, will Künstler, Meister und Pro¬
fessor heißen, und bekennt wenigstens durch
diese Titelsucht, daß es nicht genug sey nur
etwas durch Überlieferung zu erhaschen, oder
durch Übung irgend eine Gewandheit zu er¬
langen; er gesteht, daß jeder vielmehr über

Figuren. Er hatte als Jüngling mit dem
Oheim, der ſchon um vieles älter war, bey
der Armee, dann in Geſchäften Bekannt¬
ſchaft gemacht, ſie hatten nachher einen
großen Theil von Italien zuſammen durch¬
reiſt, und die Kunſtwerke, die der Markeſe
hier wieder fand, waren, zum großen Theil,
in ſeiner Gegenwart, und unter manchen
glücklichen Umſtänden, deren er ſich noch
wohl erinnerte, gekauft und angeſchafft
worden.

Der Italiener hat überhaupt ein tieferes
Gefühl für die hohe Würde der Kunſt als
andere Nationen; jeder, der nur irgend et¬
was treibt, will Künſtler, Meiſter und Pro¬
feſſor heißen, und bekennt wenigſtens durch
dieſe Titelſucht, daß es nicht genug ſey nur
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[405/0409] Figuren. Er hatte als Jüngling mit dem Oheim, der ſchon um vieles älter war, bey der Armee, dann in Geſchäften Bekannt¬ ſchaft gemacht, ſie hatten nachher einen großen Theil von Italien zuſammen durch¬ reiſt, und die Kunſtwerke, die der Markeſe hier wieder fand, waren, zum großen Theil, in ſeiner Gegenwart, und unter manchen glücklichen Umſtänden, deren er ſich noch wohl erinnerte, gekauft und angeſchafft worden. Der Italiener hat überhaupt ein tieferes Gefühl für die hohe Würde der Kunſt als andere Nationen; jeder, der nur irgend et¬ was treibt, will Künſtler, Meiſter und Pro¬ feſſor heißen, und bekennt wenigſtens durch dieſe Titelſucht, daß es nicht genug ſey nur etwas durch Überlieferung zu erhaſchen, oder durch Übung irgend eine Gewandheit zu er¬ langen; er geſteht, daß jeder vielmehr über

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/409>, abgerufen am 22.11.2024.