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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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Amazone deiner Einbildungskraft immer ge¬
genwärtig? und du hattest sie nur gesehen,
du kanntest sie nicht. Nun da du sie kennst,
da du ihr so nahe warst, da sie so vielen
Antheil an dir gezeigt hat, nun sind ihre
Eigenschaften so tief in dein Gemüth ge¬
prägt, als ihr Bild jemals in deine Sinne.
Ängstlich ist es immer zu suchen, aber viel
ängstlicher gefunden zu haben und verlassen
zu müssen. Wornach soll ich in der Welt
nun weiter fragen? wornach soll ich mich
weiter umsehen? welche Gegend, welche
Stadt verwahrt einen Schatz, der diesem
gleich ist? und ich soll reisen, um nur immer
das Geringere zu finden? Ist denn das Le¬
ben blos wie eine Rennbahn, wo man so¬
gleich schnell wieder umkehren muß, wenn
man das äußerste Ende erreicht hat? Uns
steht das Gute, das Vortreffliche nur wie
ein festes, unverrücktes Ziel da, von dem

Amazone deiner Einbildungskraft immer ge¬
genwärtig? und du hatteſt ſie nur geſehen,
du kannteſt ſie nicht. Nun da du ſie kennſt,
da du ihr ſo nahe warſt, da ſie ſo vielen
Antheil an dir gezeigt hat, nun ſind ihre
Eigenſchaften ſo tief in dein Gemüth ge¬
prägt, als ihr Bild jemals in deine Sinne.
Ängſtlich iſt es immer zu ſuchen, aber viel
ängſtlicher gefunden zu haben und verlaſſen
zu müſſen. Wornach ſoll ich in der Welt
nun weiter fragen? wornach ſoll ich mich
weiter umſehen? welche Gegend, welche
Stadt verwahrt einen Schatz, der dieſem
gleich iſt? und ich ſoll reiſen, um nur immer
das Geringere zu finden? Iſt denn das Le¬
ben blos wie eine Rennbahn, wo man ſo¬
gleich ſchnell wieder umkehren muß, wenn
man das äußerſte Ende erreicht hat? Uns
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[398/0402] Amazone deiner Einbildungskraft immer ge¬ genwärtig? und du hatteſt ſie nur geſehen, du kannteſt ſie nicht. Nun da du ſie kennſt, da du ihr ſo nahe warſt, da ſie ſo vielen Antheil an dir gezeigt hat, nun ſind ihre Eigenſchaften ſo tief in dein Gemüth ge¬ prägt, als ihr Bild jemals in deine Sinne. Ängſtlich iſt es immer zu ſuchen, aber viel ängſtlicher gefunden zu haben und verlaſſen zu müſſen. Wornach ſoll ich in der Welt nun weiter fragen? wornach ſoll ich mich weiter umſehen? welche Gegend, welche Stadt verwahrt einen Schatz, der dieſem gleich iſt? und ich ſoll reiſen, um nur immer das Geringere zu finden? Iſt denn das Le¬ ben blos wie eine Rennbahn, wo man ſo¬ gleich ſchnell wieder umkehren muß, wenn man das äußerſte Ende erreicht hat? Uns ſteht das Gute, das Vortreffliche nur wie ein feſtes, unverrücktes Ziel da, von dem

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/402>, abgerufen am 22.11.2024.