Die Gesellschaft hatte sich eben wieder be¬ gegnet, und unsere Freunde sahen sich genö¬ thigt, das Gespräch abzubrechen. Nicht lange, so ward ein Curier gemeldet, der einen Brief in Lothario's eigene Hände übergeben wollte; der Mann ward vorgeführt, er sah rüstig und tüchtig aus, seine Livree war sehr reich und geschmackvoll. Wilhelm glaubte ihn zu kennen, und er irrte sich nicht, es war der¬ selbe Mann, den er damals Philinen und der vermeinten Mariane nachgeschickt hatte, und der nicht wieder zurück gekommen war. Eben wollte er ihn anreden, als Lothario, der den Brief gelesen hatte, ernsthaft und fast verdrießlich fragte: wie heißt sein Herr? Das ist unter allen Fragen, versetzte der
Sechstes Capitel.
Die Geſellſchaft hatte ſich eben wieder be¬ gegnet, und unſere Freunde ſahen ſich genö¬ thigt, das Geſpräch abzubrechen. Nicht lange, ſo ward ein Curier gemeldet, der einen Brief in Lothario’s eigene Hände übergeben wollte; der Mann ward vorgeführt, er ſah rüſtig und tüchtig aus, ſeine Livree war ſehr reich und geſchmackvoll. Wilhelm glaubte ihn zu kennen, und er irrte ſich nicht, es war der¬ ſelbe Mann, den er damals Philinen und der vermeinten Mariane nachgeſchickt hatte, und der nicht wieder zurück gekommen war. Eben wollte er ihn anreden, als Lothario, der den Brief geleſen hatte, ernſthaft und faſt verdrießlich fragte: wie heißt ſein Herr? Das iſt unter allen Fragen, verſetzte der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0365"n="361"/></div><divn="3"><head><hirendition="#g">Sechstes Capitel</hi>.<lb/></head><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">D</hi>ie Geſellſchaft hatte ſich eben wieder be¬<lb/>
gegnet, und unſere Freunde ſahen ſich genö¬<lb/>
thigt, das Geſpräch abzubrechen. Nicht lange,<lb/>ſo ward ein Curier gemeldet, der einen Brief<lb/>
in Lothario’s eigene Hände übergeben wollte;<lb/>
der Mann ward vorgeführt, er ſah rüſtig<lb/>
und tüchtig aus, ſeine Livree war ſehr reich<lb/>
und geſchmackvoll. Wilhelm glaubte ihn zu<lb/>
kennen, und er irrte ſich nicht, es war der¬<lb/>ſelbe Mann, den er damals Philinen und<lb/>
der vermeinten Mariane nachgeſchickt hatte,<lb/>
und der nicht wieder zurück gekommen war.<lb/>
Eben wollte er ihn anreden, als Lothario,<lb/>
der den Brief geleſen hatte, ernſthaft und<lb/>
faſt verdrießlich fragte: wie heißt ſein Herr?<lb/>
Das iſt unter allen Fragen, verſetzte der<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[361/0365]
Sechstes Capitel.
Die Geſellſchaft hatte ſich eben wieder be¬
gegnet, und unſere Freunde ſahen ſich genö¬
thigt, das Geſpräch abzubrechen. Nicht lange,
ſo ward ein Curier gemeldet, der einen Brief
in Lothario’s eigene Hände übergeben wollte;
der Mann ward vorgeführt, er ſah rüſtig
und tüchtig aus, ſeine Livree war ſehr reich
und geſchmackvoll. Wilhelm glaubte ihn zu
kennen, und er irrte ſich nicht, es war der¬
ſelbe Mann, den er damals Philinen und
der vermeinten Mariane nachgeſchickt hatte,
und der nicht wieder zurück gekommen war.
Eben wollte er ihn anreden, als Lothario,
der den Brief geleſen hatte, ernſthaft und
faſt verdrießlich fragte: wie heißt ſein Herr?
Das iſt unter allen Fragen, verſetzte der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/365>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.