denn er versicherte, daß es der einzige Weg sey Sie zu heilen, wenn Sie heilbar wä¬ ren. -- Und darum ließ er mir den Schleyer zurück, und hieß mich fliehen? -- Ja, er hoffte sogar mit der Vorstellung des Ham¬ lets sollte ihre ganze Lust gebüßt seyn, Sie würden nachher das Theater nicht wieder be¬ treten, behauptete er; ich glaubte das Ge¬ gentheil und behielt Recht. Wir stritten noch selbigen Abend nach der Vorstellung darü¬ ber. -- Und Sie haben mich also spielen sehen? -- O gewis! -- Und wer stellte denn den Geist vor? -- Das kann ich selbst nicht sagen, entweder der Abbe oder sein Zwil¬ lingsbruder, doch glaub ich dieser, denn er ist um ein weniges größer; -- Sie haben also auch Geheimnisse unter einander? -- Freunde können und müssen Geheimnisse vor einander haben, sie sind einander doch kein Geheimnis.
W. Meisters Lehrj. 4. Z
denn er verſicherte, daß es der einzige Weg ſey Sie zu heilen, wenn Sie heilbar wä¬ ren. — Und darum ließ er mir den Schleyer zurück, und hieß mich fliehen? — Ja, er hoffte ſogar mit der Vorſtellung des Ham¬ lets ſollte ihre ganze Luſt gebüßt ſeyn, Sie würden nachher das Theater nicht wieder be¬ treten, behauptete er; ich glaubte das Ge¬ gentheil und behielt Recht. Wir ſtritten noch ſelbigen Abend nach der Vorſtellung darü¬ ber. — Und Sie haben mich alſo ſpielen ſehen? — O gewis! — Und wer ſtellte denn den Geiſt vor? — Das kann ich ſelbſt nicht ſagen, entweder der Abbé oder ſein Zwil¬ lingsbruder, doch glaub ich dieſer, denn er iſt um ein weniges größer; — Sie haben alſo auch Geheimniſſe unter einander? — Freunde können und müſſen Geheimniſſe vor einander haben, ſie ſind einander doch kein Geheimnis.
W. Meiſters Lehrj. 4. Z
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denn er verſicherte, daß es der einzige Weg
ſey Sie zu heilen, wenn Sie heilbar wä¬
ren. — Und darum ließ er mir den Schleyer
zurück, und hieß mich fliehen? — Ja, er
hoffte ſogar mit der Vorſtellung des Ham¬
lets ſollte ihre ganze Luſt gebüßt ſeyn, Sie
würden nachher das Theater nicht wieder be¬
treten, behauptete er; ich glaubte das Ge¬
gentheil und behielt Recht. Wir ſtritten noch
ſelbigen Abend nach der Vorſtellung darü¬
ber. — Und Sie haben mich alſo ſpielen
ſehen? — O gewis! — Und wer ſtellte denn
den Geiſt vor? — Das kann ich ſelbſt nicht
ſagen, entweder der Abbé oder ſein Zwil¬
lingsbruder, doch glaub ich dieſer, denn er
iſt um ein weniges größer; — Sie haben
alſo auch Geheimniſſe unter einander? —
Freunde können und müſſen Geheimniſſe vor
einander haben, ſie ſind einander doch kein
Geheimnis.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/357>, abgerufen am 06.06.2024.
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