Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

da ich Sie nicht ohne Mißtrauen hören
kann, warum soll ich Sie anhören? -- Wenn
ich jetzt nichts besseres zu thun habe, sagte
Jarno, als Mährchen zu erzählen, so ha¬
ben Sie ja auch wohl Zeit ihnen einige Auf¬
merksamkeit zu widmen, vielleicht sind Sie
dazu geneigter, wenn ich Ihnen gleich an¬
fangs sage: alles was Sie im Thurme ge¬
sehen haben, sind eigentlich nur noch Reli¬
quien von einem jugendlichen Unternehmen,
bey dem es anfangs den meisten Eingeweih¬
ten großer Ernst war, und über das nun
alle gelegentlich nur lächeln.

Also mit diesen würdigen Zeichen und
Worten spielt man nur, rief Wilhelm aus,
man führt uns mit Feyerlichkeit an einen
Ort, der uns Ehrfurcht einflößt, man läßt
uns die wunderlichsten Erscheinungen sehen,
man giebt uns Rollen voller herrlichen, ge¬
heimnißreichen Sprüche, davon wir freylich

da ich Sie nicht ohne Mißtrauen hören
kann, warum ſoll ich Sie anhören? — Wenn
ich jetzt nichts beſſeres zu thun habe, ſagte
Jarno, als Mährchen zu erzählen, ſo ha¬
ben Sie ja auch wohl Zeit ihnen einige Auf¬
merkſamkeit zu widmen, vielleicht ſind Sie
dazu geneigter, wenn ich Ihnen gleich an¬
fangs ſage: alles was Sie im Thurme ge¬
ſehen haben, ſind eigentlich nur noch Reli¬
quien von einem jugendlichen Unternehmen,
bey dem es anfangs den meiſten Eingeweih¬
ten großer Ernſt war, und über das nun
alle gelegentlich nur lächeln.

Alſo mit dieſen würdigen Zeichen und
Worten ſpielt man nur, rief Wilhelm aus,
man führt uns mit Feyerlichkeit an einen
Ort, der uns Ehrfurcht einflößt, man läßt
uns die wunderlichſten Erſcheinungen ſehen,
man giebt uns Rollen voller herrlichen, ge¬
heimnißreichen Sprüche, davon wir freylich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0348" n="344"/>
da ich Sie nicht ohne Mißtrauen hören<lb/>
kann, warum &#x017F;oll ich Sie anhören? &#x2014; Wenn<lb/>
ich jetzt nichts be&#x017F;&#x017F;eres zu thun habe, &#x017F;agte<lb/>
Jarno, als Mährchen zu erzählen, &#x017F;o ha¬<lb/>
ben Sie ja auch wohl Zeit ihnen einige Auf¬<lb/>
merk&#x017F;amkeit zu widmen, vielleicht &#x017F;ind Sie<lb/>
dazu geneigter, wenn ich Ihnen gleich an¬<lb/>
fangs &#x017F;age: alles was Sie im Thurme ge¬<lb/>
&#x017F;ehen haben, &#x017F;ind eigentlich nur noch Reli¬<lb/>
quien von einem jugendlichen Unternehmen,<lb/>
bey dem es anfangs den mei&#x017F;ten Eingeweih¬<lb/>
ten großer Ern&#x017F;t war, und über das nun<lb/>
alle gelegentlich nur lächeln.</p><lb/>
            <p>Al&#x017F;o mit die&#x017F;en würdigen Zeichen und<lb/>
Worten &#x017F;pielt man nur, rief Wilhelm aus,<lb/>
man führt uns mit Feyerlichkeit an einen<lb/>
Ort, der uns Ehrfurcht einflößt, man läßt<lb/>
uns die wunderlich&#x017F;ten Er&#x017F;cheinungen &#x017F;ehen,<lb/>
man giebt uns Rollen voller herrlichen, ge¬<lb/>
heimnißreichen Sprüche, davon wir freylich<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[344/0348] da ich Sie nicht ohne Mißtrauen hören kann, warum ſoll ich Sie anhören? — Wenn ich jetzt nichts beſſeres zu thun habe, ſagte Jarno, als Mährchen zu erzählen, ſo ha¬ ben Sie ja auch wohl Zeit ihnen einige Auf¬ merkſamkeit zu widmen, vielleicht ſind Sie dazu geneigter, wenn ich Ihnen gleich an¬ fangs ſage: alles was Sie im Thurme ge¬ ſehen haben, ſind eigentlich nur noch Reli¬ quien von einem jugendlichen Unternehmen, bey dem es anfangs den meiſten Eingeweih¬ ten großer Ernſt war, und über das nun alle gelegentlich nur lächeln. Alſo mit dieſen würdigen Zeichen und Worten ſpielt man nur, rief Wilhelm aus, man führt uns mit Feyerlichkeit an einen Ort, der uns Ehrfurcht einflößt, man läßt uns die wunderlichſten Erſcheinungen ſehen, man giebt uns Rollen voller herrlichen, ge¬ heimnißreichen Sprüche, davon wir freylich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/348
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/348>, abgerufen am 25.11.2024.