Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich werde nicht auf mein Zimmer gehen,
rief sie aus, ich hasse die Wände, zwischen
denen ihr mich schon so lange gefangen hal¬
tet! und doch habe ich alles erfahren, der
Obrist hat ihn herausgefordert, er ist hinaus¬
geritten, seinen Gegner aufzusuchen und viel¬
leicht jetzt eben in diesem Augenblicke! Es
war mir etlichemal, als hörte ich schießen.
Lassen Sie anspannen und fahren Sie mit
mir, oder ich fülle das Haus, das ganze
Dorf mit meinem Geschrey.

Sie eilte unter den heftigsten Thränen
nach dem Fenster, der Abbe hielt sie zurück,
und suchte vergebens sie zu besänftigen.

Man hörte einen Wagen fahren, sie riß
das Fenster auf, er ist todt! rief sie, da
bringen sie ihn -- er steigt aus! sagte der
Abbe. Sie sehen er lebt -- er ist verwun¬
det, versetzte sie heftig, sonst käm' er zu
Pferde! sie führen ihn! er ist gefährlich ver¬

Ich werde nicht auf mein Zimmer gehen,
rief ſie aus, ich haſſe die Wände, zwiſchen
denen ihr mich ſchon ſo lange gefangen hal¬
tet! und doch habe ich alles erfahren, der
Obriſt hat ihn herausgefordert, er iſt hinaus¬
geritten, ſeinen Gegner aufzuſuchen und viel¬
leicht jetzt eben in dieſem Augenblicke! Es
war mir etlichemal, als hörte ich ſchießen.
Laſſen Sie anſpannen und fahren Sie mit
mir, oder ich fülle das Haus, das ganze
Dorf mit meinem Geſchrey.

Sie eilte unter den heftigſten Thränen
nach dem Fenſter, der Abbé hielt ſie zurück,
und ſuchte vergebens ſie zu beſänftigen.

Man hörte einen Wagen fahren, ſie riß
das Fenſter auf, er iſt todt! rief ſie, da
bringen ſie ihn — er ſteigt aus! ſagte der
Abbé. Sie ſehen er lebt — er iſt verwun¬
det, verſetzte ſie heftig, ſonſt käm’ er zu
Pferde! ſie führen ihn! er iſt gefährlich ver¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0029" n="25"/>
Ich werde nicht auf mein Zimmer gehen,<lb/>
rief &#x017F;ie aus, ich ha&#x017F;&#x017F;e die Wände, zwi&#x017F;chen<lb/>
denen ihr mich &#x017F;chon &#x017F;o lange gefangen hal¬<lb/>
tet! und doch habe ich alles erfahren, der<lb/>
Obri&#x017F;t hat ihn herausgefordert, er i&#x017F;t hinaus¬<lb/>
geritten, &#x017F;einen Gegner aufzu&#x017F;uchen und viel¬<lb/>
leicht jetzt eben in die&#x017F;em Augenblicke! Es<lb/>
war mir etlichemal, als hörte ich &#x017F;chießen.<lb/>
La&#x017F;&#x017F;en Sie an&#x017F;pannen und fahren Sie mit<lb/>
mir, oder ich fülle das Haus, das ganze<lb/>
Dorf mit meinem Ge&#x017F;chrey.</p><lb/>
            <p>Sie eilte unter den heftig&#x017F;ten Thränen<lb/>
nach dem Fen&#x017F;ter, der Abbé hielt &#x017F;ie zurück,<lb/>
und &#x017F;uchte vergebens &#x017F;ie zu be&#x017F;änftigen.</p><lb/>
            <p>Man hörte einen Wagen fahren, &#x017F;ie riß<lb/>
das Fen&#x017F;ter auf, er i&#x017F;t todt! rief &#x017F;ie, da<lb/>
bringen &#x017F;ie ihn &#x2014; er &#x017F;teigt aus! &#x017F;agte der<lb/>
Abbé. Sie &#x017F;ehen er lebt &#x2014; er i&#x017F;t verwun¬<lb/>
det, ver&#x017F;etzte &#x017F;ie heftig, &#x017F;on&#x017F;t käm&#x2019; er zu<lb/>
Pferde! &#x017F;ie führen ihn! er i&#x017F;t gefährlich ver¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0029] Ich werde nicht auf mein Zimmer gehen, rief ſie aus, ich haſſe die Wände, zwiſchen denen ihr mich ſchon ſo lange gefangen hal¬ tet! und doch habe ich alles erfahren, der Obriſt hat ihn herausgefordert, er iſt hinaus¬ geritten, ſeinen Gegner aufzuſuchen und viel¬ leicht jetzt eben in dieſem Augenblicke! Es war mir etlichemal, als hörte ich ſchießen. Laſſen Sie anſpannen und fahren Sie mit mir, oder ich fülle das Haus, das ganze Dorf mit meinem Geſchrey. Sie eilte unter den heftigſten Thränen nach dem Fenſter, der Abbé hielt ſie zurück, und ſuchte vergebens ſie zu beſänftigen. Man hörte einen Wagen fahren, ſie riß das Fenſter auf, er iſt todt! rief ſie, da bringen ſie ihn — er ſteigt aus! ſagte der Abbé. Sie ſehen er lebt — er iſt verwun¬ det, verſetzte ſie heftig, ſonſt käm’ er zu Pferde! ſie führen ihn! er iſt gefährlich ver¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/29
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/29>, abgerufen am 02.05.2024.