Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

sie ihn nie verlassen, an statt daß diese je¬
den Augenblick in Gefahr sind, ein fremdes
Joch abzuschütteln, und sich einer unbeding¬
ten Freyheit zu übergeben.

Es ist sonderbar, sagte Wilhelm, daß
dieser merkwürdige Mann auch an mir Theil
genommen, und mich, wie es scheint, nach
seiner Weise, wo nicht geleitet, doch wenig¬
stens eine Zeit lang in meinen Irrthümern
gestärkt hat. Wie er es künftig verantwor¬
ten will, daß er, und wie es scheint meh¬
rere, mich gleichsam zum besten hatten, muß
ich wohl mit Geduld erwarten.

Ich habe mich nicht über diese Grille,
wenn sie eine ist, zu beklagen, sagte Nata¬
lie; denn ich bin freylich unter meinen Ge¬
schwistern am besten dabey gefahren. Auch
seh' ich nicht, wie mein Bruder Lothario
hätte schöner ausgebildet werden können, nur
hätte vielleicht meine gute Schwester, die

W. Meisters Lehrj. 4. S

ſie ihn nie verlaſſen, an ſtatt daß dieſe je¬
den Augenblick in Gefahr ſind, ein fremdes
Joch abzuſchütteln, und ſich einer unbeding¬
ten Freyheit zu übergeben.

Es iſt ſonderbar, ſagte Wilhelm, daß
dieſer merkwürdige Mann auch an mir Theil
genommen, und mich, wie es ſcheint, nach
ſeiner Weiſe, wo nicht geleitet, doch wenig¬
ſtens eine Zeit lang in meinen Irrthümern
geſtärkt hat. Wie er es künftig verantwor¬
ten will, daß er, und wie es ſcheint meh¬
rere, mich gleichſam zum beſten hatten, muß
ich wohl mit Geduld erwarten.

Ich habe mich nicht über dieſe Grille,
wenn ſie eine iſt, zu beklagen, ſagte Nata¬
lie; denn ich bin freylich unter meinen Ge¬
ſchwiſtern am beſten dabey gefahren. Auch
ſeh’ ich nicht, wie mein Bruder Lothario
hätte ſchöner ausgebildet werden können, nur
hätte vielleicht meine gute Schweſter, die

W. Meiſters Lehrj. 4. S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0277" n="273"/>
&#x017F;ie ihn nie verla&#x017F;&#x017F;en, an &#x017F;tatt daß die&#x017F;e je¬<lb/>
den Augenblick in Gefahr &#x017F;ind, ein fremdes<lb/>
Joch abzu&#x017F;chütteln, und &#x017F;ich einer unbeding¬<lb/>
ten Freyheit zu übergeben.</p><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t &#x017F;onderbar, &#x017F;agte Wilhelm, daß<lb/>
die&#x017F;er merkwürdige Mann auch an mir Theil<lb/>
genommen, und mich, wie es &#x017F;cheint, nach<lb/>
&#x017F;einer Wei&#x017F;e, wo nicht geleitet, doch wenig¬<lb/>
&#x017F;tens eine Zeit lang in meinen Irrthümern<lb/>
ge&#x017F;tärkt hat. Wie er es künftig verantwor¬<lb/>
ten will, daß er, und wie es &#x017F;cheint meh¬<lb/>
rere, mich gleich&#x017F;am zum be&#x017F;ten hatten, muß<lb/>
ich wohl mit Geduld erwarten.</p><lb/>
            <p>Ich habe mich nicht über die&#x017F;e Grille,<lb/>
wenn &#x017F;ie eine i&#x017F;t, zu beklagen, &#x017F;agte Nata¬<lb/>
lie; denn ich bin freylich unter meinen Ge¬<lb/>
&#x017F;chwi&#x017F;tern am be&#x017F;ten dabey gefahren. Auch<lb/>
&#x017F;eh&#x2019; ich nicht, wie mein Bruder Lothario<lb/>
hätte &#x017F;chöner ausgebildet werden können, nur<lb/>
hätte vielleicht meine gute Schwe&#x017F;ter, die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">W. Mei&#x017F;ters Lehrj. 4. S<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0277] ſie ihn nie verlaſſen, an ſtatt daß dieſe je¬ den Augenblick in Gefahr ſind, ein fremdes Joch abzuſchütteln, und ſich einer unbeding¬ ten Freyheit zu übergeben. Es iſt ſonderbar, ſagte Wilhelm, daß dieſer merkwürdige Mann auch an mir Theil genommen, und mich, wie es ſcheint, nach ſeiner Weiſe, wo nicht geleitet, doch wenig¬ ſtens eine Zeit lang in meinen Irrthümern geſtärkt hat. Wie er es künftig verantwor¬ ten will, daß er, und wie es ſcheint meh¬ rere, mich gleichſam zum beſten hatten, muß ich wohl mit Geduld erwarten. Ich habe mich nicht über dieſe Grille, wenn ſie eine iſt, zu beklagen, ſagte Nata¬ lie; denn ich bin freylich unter meinen Ge¬ ſchwiſtern am beſten dabey gefahren. Auch ſeh’ ich nicht, wie mein Bruder Lothario hätte ſchöner ausgebildet werden können, nur hätte vielleicht meine gute Schweſter, die W. Meiſters Lehrj. 4. S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/277
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/277>, abgerufen am 22.07.2024.