gebohren werden, man giebt es bey allen Künsten zu, weil man muß, und weil jene Wirkungen der menschlichen Natur kaum scheinbar nachgeäfft werden können; aber, wenn man es genau betrachtet, so wird jede auch nur die geringste Fähigkeit uns ange¬ bohren, und es giebt keine unbestimmte Fä¬ higkeit. Nur unsere zweydeutige, zerstreute Erziehung macht die Menschen ungewis, sie erregt Wünsche statt Triebe zu beleben, und, anstatt den wirklichen Anlagen aufzuhelfen, richtet sie das Streben nach Gegenständen, die so oft mit der Natur, die sich nach ih¬ nen bemüht, nicht übereinstimmen. Ein Kind, ein junger Mensch, die auf ihrem eigenen Wege irre gehen, sind mir lieber als manche, die auf fremdem Wege recht wandeln. Fin¬ den jene, entweder durch sich selbst, oder durch Anleitung, den rechten Weg, das ist den, der ihrer Natur gemäß ist, so werden
sie
gebohren werden, man giebt es bey allen Künſten zu, weil man muß, und weil jene Wirkungen der menſchlichen Natur kaum ſcheinbar nachgeäfft werden können; aber, wenn man es genau betrachtet, ſo wird jede auch nur die geringſte Fähigkeit uns ange¬ bohren, und es giebt keine unbeſtimmte Fä¬ higkeit. Nur unſere zweydeutige, zerſtreute Erziehung macht die Menſchen ungewis, ſie erregt Wünſche ſtatt Triebe zu beleben, und, anſtatt den wirklichen Anlagen aufzuhelfen, richtet ſie das Streben nach Gegenſtänden, die ſo oft mit der Natur, die ſich nach ih¬ nen bemüht, nicht übereinſtimmen. Ein Kind, ein junger Menſch, die auf ihrem eigenen Wege irre gehen, ſind mir lieber als manche, die auf fremdem Wege recht wandeln. Fin¬ den jene, entweder durch ſich ſelbſt, oder durch Anleitung, den rechten Weg, das iſt den, der ihrer Natur gemäß iſt, ſo werden
ſie
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gebohren werden, man giebt es bey allen
Künſten zu, weil man muß, und weil jene
Wirkungen der menſchlichen Natur kaum
ſcheinbar nachgeäfft werden können; aber,
wenn man es genau betrachtet, ſo wird jede
auch nur die geringſte Fähigkeit uns ange¬
bohren, und es giebt keine unbeſtimmte Fä¬
higkeit. Nur unſere zweydeutige, zerſtreute
Erziehung macht die Menſchen ungewis, ſie
erregt Wünſche ſtatt Triebe zu beleben, und,
anſtatt den wirklichen Anlagen aufzuhelfen,
richtet ſie das Streben nach Gegenſtänden,
die ſo oft mit der Natur, die ſich nach ih¬
nen bemüht, nicht übereinſtimmen. Ein Kind,
ein junger Menſch, die auf ihrem eigenen
Wege irre gehen, ſind mir lieber als manche,
die auf fremdem Wege recht wandeln. Fin¬
den jene, entweder durch ſich ſelbſt, oder
durch Anleitung, den rechten Weg, das iſt
den, der ihrer Natur gemäß iſt, ſo werden
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/276>, abgerufen am 22.11.2024.
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