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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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vom Heiligen Christe vernommen, die zu ge¬
wissen Zeiten in Person erscheinen, gute Kin¬
der beschenken und unartige bestrafen sollten.
Sie hatten eine Vermuthung, daß es ver¬
kleidete Personen seyn müßten, worin ich sie
denn auch bestärkte, und, ohne mich viel
auf Deutungen einzulassen, mir vornahm,
ihnen bey der ersten Gelegenheit ein solches
Schauspiel zu geben. Es fand sich eben,
daß der Geburtstag von Zwillingschwestern,
die sich immer sehr gut betragen hatten,
nahe war; ich versprach, daß ihnen diesmal
ein Engel die kleinen Geschenke bringen
sollte, die sie sowohl verdient hätten. Sie
waren äußerst gespannt auf diese Erschei¬
nung. Ich hatte mir Mignon zu dieser
Rolle ausgesucht, und sie ward an dem be¬
stimmten Tage in ein langes, leichtes, weißes
Gewand anständig gekleidet. Es fehlte nicht
an einem goldenen Gürtel um die Brust,

W. Meisters Lehrj. 4. R

vom Heiligen Chriſte vernommen, die zu ge¬
wiſſen Zeiten in Perſon erſcheinen, gute Kin¬
der beſchenken und unartige beſtrafen ſollten.
Sie hatten eine Vermuthung, daß es ver¬
kleidete Perſonen ſeyn müßten, worin ich ſie
denn auch beſtärkte, und, ohne mich viel
auf Deutungen einzulaſſen, mir vornahm,
ihnen bey der erſten Gelegenheit ein ſolches
Schauſpiel zu geben. Es fand ſich eben,
daß der Geburtstag von Zwillingſchweſtern,
die ſich immer ſehr gut betragen hatten,
nahe war; ich verſprach, daß ihnen diesmal
ein Engel die kleinen Geſchenke bringen
ſollte, die ſie ſowohl verdient hätten. Sie
waren äußerſt geſpannt auf dieſe Erſchei¬
nung. Ich hatte mir Mignon zu dieſer
Rolle ausgeſucht, und ſie ward an dem be¬
ſtimmten Tage in ein langes, leichtes, weißes
Gewand anſtändig gekleidet. Es fehlte nicht
an einem goldenen Gürtel um die Bruſt,

W. Meiſters Lehrj. 4. R
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[257/0261] vom Heiligen Chriſte vernommen, die zu ge¬ wiſſen Zeiten in Perſon erſcheinen, gute Kin¬ der beſchenken und unartige beſtrafen ſollten. Sie hatten eine Vermuthung, daß es ver¬ kleidete Perſonen ſeyn müßten, worin ich ſie denn auch beſtärkte, und, ohne mich viel auf Deutungen einzulaſſen, mir vornahm, ihnen bey der erſten Gelegenheit ein ſolches Schauſpiel zu geben. Es fand ſich eben, daß der Geburtstag von Zwillingſchweſtern, die ſich immer ſehr gut betragen hatten, nahe war; ich verſprach, daß ihnen diesmal ein Engel die kleinen Geſchenke bringen ſollte, die ſie ſowohl verdient hätten. Sie waren äußerſt geſpannt auf dieſe Erſchei¬ nung. Ich hatte mir Mignon zu dieſer Rolle ausgeſucht, und ſie ward an dem be¬ ſtimmten Tage in ein langes, leichtes, weißes Gewand anſtändig gekleidet. Es fehlte nicht an einem goldenen Gürtel um die Bruſt, W. Meiſters Lehrj. 4. R

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/261>, abgerufen am 25.11.2024.