Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Gemüthsbewegungen, manchmal plötzlich stille
stehe, und keine Spur der heilsamen Lebens¬
regung in dem Busen des guten Kindes ge¬
fühlt werden könne; sey dieser ängstliche
Krampf vorbey, so äußere sich die Kraft der
Natur wieder in gewaltsamen Pulsen, und
ängstige das Kind nunmehr durch Übermaß,
wie es vorher durch Mangel gelitten habe.

Wilhelm erinnerte sich einer solchen krampf¬
haften Scene, und Natalie bezog sich auf
den Arzt, der weiter mit ihm über die Sache
sprechen, und die Ursache, warum man den
Freund und Wohlthäter des Kindes gegen¬
wärtig herbeygerufen, umständlicher vorle¬
gen würde. Eine sonderbare Veränderung,
fuhr Natalie fort, werden Sie an ihr fin¬
den, sie geht nunmehr in Frauenkleidern,
vor denen sie sonst einen so großen Abscheu
zu haben schien.

Wie haben Sie das erreicht? fragte
Wilhelm.

Gemüthsbewegungen, manchmal plötzlich ſtille
ſtehe, und keine Spur der heilſamen Lebens¬
regung in dem Buſen des guten Kindes ge¬
fühlt werden könne; ſey dieſer ängſtliche
Krampf vorbey, ſo äußere ſich die Kraft der
Natur wieder in gewaltſamen Pulſen, und
ängſtige das Kind nunmehr durch Übermaß,
wie es vorher durch Mangel gelitten habe.

Wilhelm erinnerte ſich einer ſolchen krampf¬
haften Scene, und Natalie bezog ſich auf
den Arzt, der weiter mit ihm über die Sache
ſprechen, und die Urſache, warum man den
Freund und Wohlthäter des Kindes gegen¬
wärtig herbeygerufen, umſtändlicher vorle¬
gen würde. Eine ſonderbare Veränderung,
fuhr Natalie fort, werden Sie an ihr fin¬
den, ſie geht nunmehr in Frauenkleidern,
vor denen ſie ſonſt einen ſo großen Abſcheu
zu haben ſchien.

Wie haben Sie das erreicht? fragte
Wilhelm.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0259" n="255"/>
Gemüthsbewegungen, manchmal plötzlich &#x017F;tille<lb/>
&#x017F;tehe, und keine Spur der heil&#x017F;amen Lebens¬<lb/>
regung in dem Bu&#x017F;en des guten Kindes ge¬<lb/>
fühlt werden könne; &#x017F;ey die&#x017F;er äng&#x017F;tliche<lb/>
Krampf vorbey, &#x017F;o äußere &#x017F;ich die Kraft der<lb/>
Natur wieder in gewalt&#x017F;amen Pul&#x017F;en, und<lb/>
äng&#x017F;tige das Kind nunmehr durch Übermaß,<lb/>
wie es vorher durch Mangel gelitten habe.</p><lb/>
            <p>Wilhelm erinnerte &#x017F;ich einer &#x017F;olchen krampf¬<lb/>
haften Scene, und Natalie bezog &#x017F;ich auf<lb/>
den Arzt, der weiter mit ihm über die Sache<lb/>
&#x017F;prechen, und die Ur&#x017F;ache, warum man den<lb/>
Freund und Wohlthäter des Kindes gegen¬<lb/>
wärtig herbeygerufen, um&#x017F;tändlicher vorle¬<lb/>
gen würde. Eine &#x017F;onderbare Veränderung,<lb/>
fuhr Natalie fort, werden Sie an ihr fin¬<lb/>
den, &#x017F;ie geht nunmehr in Frauenkleidern,<lb/>
vor denen &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t einen &#x017F;o großen Ab&#x017F;cheu<lb/>
zu haben &#x017F;chien.</p><lb/>
            <p>Wie haben Sie das erreicht? fragte<lb/>
Wilhelm.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0259] Gemüthsbewegungen, manchmal plötzlich ſtille ſtehe, und keine Spur der heilſamen Lebens¬ regung in dem Buſen des guten Kindes ge¬ fühlt werden könne; ſey dieſer ängſtliche Krampf vorbey, ſo äußere ſich die Kraft der Natur wieder in gewaltſamen Pulſen, und ängſtige das Kind nunmehr durch Übermaß, wie es vorher durch Mangel gelitten habe. Wilhelm erinnerte ſich einer ſolchen krampf¬ haften Scene, und Natalie bezog ſich auf den Arzt, der weiter mit ihm über die Sache ſprechen, und die Urſache, warum man den Freund und Wohlthäter des Kindes gegen¬ wärtig herbeygerufen, umſtändlicher vorle¬ gen würde. Eine ſonderbare Veränderung, fuhr Natalie fort, werden Sie an ihr fin¬ den, ſie geht nunmehr in Frauenkleidern, vor denen ſie ſonſt einen ſo großen Abſcheu zu haben ſchien. Wie haben Sie das erreicht? fragte Wilhelm.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/259
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/259>, abgerufen am 25.11.2024.