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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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das Vergangene und Gegenwärtige ausbrei¬
ten. Werner ging um seinen Freund her¬
um, drehte ihn hin und her, so, daß er ihn
fast verlegen machte. Nein! nein! rief er
aus, so was ist mir noch nicht vorgekom¬
men! und doch weiß ich wohl, daß ich mich
nicht betrüge. Deine Augen sind tiefer,
Deine Stirn ist breiter, Deine Nase feiner
und Dein Mund liebreicher geworden. Seht
nur einmal, wie er steht! wie das alles paßt
und zusammenhängt! wie doch das Faullen¬
zen gedeihet! ich armer Teufel dagegen --
er besah sich im Spiegel -- wenn ich diese
Zeit her nicht recht viel Geld gewonnen
hätte, so wäre doch auch gar nichts an mir.

Werner hatte Wilhelms letzten Brief nicht
empfangen, ihre Handlung war das fremde
Haus, mit welchem Lothario die Güter in
Gemeinschaft zu kaufen die Absicht hatte.
Dieses Geschäft führte Wernern hierher, er

das Vergangene und Gegenwärtige ausbrei¬
ten. Werner ging um ſeinen Freund her¬
um, drehte ihn hin und her, ſo, daß er ihn
faſt verlegen machte. Nein! nein! rief er
aus, ſo was iſt mir noch nicht vorgekom¬
men! und doch weiß ich wohl, daß ich mich
nicht betrüge. Deine Augen ſind tiefer,
Deine Stirn iſt breiter, Deine Naſe feiner
und Dein Mund liebreicher geworden. Seht
nur einmal, wie er ſteht! wie das alles paßt
und zuſammenhängt! wie doch das Faullen¬
zen gedeihet! ich armer Teufel dagegen —
er beſah ſich im Spiegel — wenn ich dieſe
Zeit her nicht recht viel Geld gewonnen
hätte, ſo wäre doch auch gar nichts an mir.

Werner hatte Wilhelms letzten Brief nicht
empfangen, ihre Handlung war das fremde
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Gemeinſchaft zu kaufen die Abſicht hatte.
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[217/0221] das Vergangene und Gegenwärtige ausbrei¬ ten. Werner ging um ſeinen Freund her¬ um, drehte ihn hin und her, ſo, daß er ihn faſt verlegen machte. Nein! nein! rief er aus, ſo was iſt mir noch nicht vorgekom¬ men! und doch weiß ich wohl, daß ich mich nicht betrüge. Deine Augen ſind tiefer, Deine Stirn iſt breiter, Deine Naſe feiner und Dein Mund liebreicher geworden. Seht nur einmal, wie er ſteht! wie das alles paßt und zuſammenhängt! wie doch das Faullen¬ zen gedeihet! ich armer Teufel dagegen — er beſah ſich im Spiegel — wenn ich dieſe Zeit her nicht recht viel Geld gewonnen hätte, ſo wäre doch auch gar nichts an mir. Werner hatte Wilhelms letzten Brief nicht empfangen, ihre Handlung war das fremde Haus, mit welchem Lothario die Güter in Gemeinſchaft zu kaufen die Abſicht hatte. Dieſes Geſchäft führte Wernern hierher, er

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/221>, abgerufen am 17.05.2024.