Abscheuliche, niederträchtige Kupplerinn! so hast Du das unglückliche Geschöpf ge¬ opfert? so hast Du sie Deiner Kehle, Dei¬ nem unersättlichen Heißhunger hingegeben?
Ihr thätet besser Euch zu mäßigen, und mit Schimpfreden inne zu halten, versetzte die Alte. Wenn Ihr schimpfen wollt, so geht in Eure großen vornehmen Häuser, da wer¬ det Ihr Mütter finden, die recht ängstlich besorgt sind, wie sie für ein liebenswürdiges, himmlisches Mädchen den allerabscheulich¬ sten Menschen auffinden wollen, wenn er nur zugleich der reichste ist. Seht das arme Geschöpf vor seinem Schicksale zittern und beben, und nirgends Trost finden, als bis ihr irgend eine erfahrne Freundin begreiflich macht, daß sie durch den Ehestand das Recht erwerbe, über ihr Herz und ihre Person künftig nach Gefallen disponiren zu können.
Schweig! rief Wilhelm, glaubst Du denn,
Abſcheuliche, niederträchtige Kupplerinn! ſo haſt Du das unglückliche Geſchöpf ge¬ opfert? ſo haſt Du ſie Deiner Kehle, Dei¬ nem unerſättlichen Heißhunger hingegeben?
Ihr thätet beſſer Euch zu mäßigen, und mit Schimpfreden inne zu halten, verſetzte die Alte. Wenn Ihr ſchimpfen wollt, ſo geht in Eure großen vornehmen Häuſer, da wer¬ det Ihr Mütter finden, die recht ängſtlich beſorgt ſind, wie ſie für ein liebenswürdiges, himmliſches Mädchen den allerabſcheulich¬ ſten Menſchen auffinden wollen, wenn er nur zugleich der reichſte iſt. Seht das arme Geſchöpf vor ſeinem Schickſale zittern und beben, und nirgends Troſt finden, als bis ihr irgend eine erfahrne Freundin begreiflich macht, daß ſie durch den Eheſtand das Recht erwerbe, über ihr Herz und ihre Perſon künftig nach Gefallen diſponiren zu können.
Schweig! rief Wilhelm, glaubſt Du denn,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0162"n="158"/><p>Abſcheuliche, niederträchtige Kupplerinn!<lb/>ſo haſt Du das unglückliche Geſchöpf ge¬<lb/>
opfert? ſo haſt Du ſie Deiner Kehle, Dei¬<lb/>
nem unerſättlichen Heißhunger hingegeben?</p><lb/><p>Ihr thätet beſſer Euch zu mäßigen, und<lb/>
mit Schimpfreden inne zu halten, verſetzte<lb/>
die Alte. Wenn Ihr ſchimpfen wollt, ſo geht<lb/>
in Eure großen vornehmen Häuſer, da wer¬<lb/>
det Ihr Mütter finden, die recht ängſtlich<lb/>
beſorgt ſind, wie ſie für ein liebenswürdiges,<lb/>
himmliſches Mädchen den allerabſcheulich¬<lb/>ſten Menſchen auffinden wollen, wenn er<lb/>
nur zugleich der reichſte iſt. Seht das arme<lb/>
Geſchöpf vor ſeinem Schickſale zittern und<lb/>
beben, und nirgends Troſt finden, als bis<lb/>
ihr irgend eine erfahrne Freundin begreiflich<lb/>
macht, daß ſie durch den Eheſtand das Recht<lb/>
erwerbe, über ihr Herz und ihre Perſon<lb/>
künftig nach Gefallen diſponiren zu können.</p><lb/><p>Schweig! rief Wilhelm, glaubſt Du denn,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[158/0162]
Abſcheuliche, niederträchtige Kupplerinn!
ſo haſt Du das unglückliche Geſchöpf ge¬
opfert? ſo haſt Du ſie Deiner Kehle, Dei¬
nem unerſättlichen Heißhunger hingegeben?
Ihr thätet beſſer Euch zu mäßigen, und
mit Schimpfreden inne zu halten, verſetzte
die Alte. Wenn Ihr ſchimpfen wollt, ſo geht
in Eure großen vornehmen Häuſer, da wer¬
det Ihr Mütter finden, die recht ängſtlich
beſorgt ſind, wie ſie für ein liebenswürdiges,
himmliſches Mädchen den allerabſcheulich¬
ſten Menſchen auffinden wollen, wenn er
nur zugleich der reichſte iſt. Seht das arme
Geſchöpf vor ſeinem Schickſale zittern und
beben, und nirgends Troſt finden, als bis
ihr irgend eine erfahrne Freundin begreiflich
macht, daß ſie durch den Eheſtand das Recht
erwerbe, über ihr Herz und ihre Perſon
künftig nach Gefallen diſponiren zu können.
Schweig! rief Wilhelm, glaubſt Du denn,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/162>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.