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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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din ungenossen verschäumen. Wie roth wa¬
ren ihre Lippen, als sie Euch damals Be¬
scheid that! Ach! und nun auf ewig ver¬
blaßt und erstarrt!

Sibylle! Furie! rief Wilhelm aus, indem
er aufsprang und mit der Faust auf den
Tisch schlug, welch ein böser Geist besitzt und
treibt Dich? für wen hältst Du mich, daß
Du denkst, die einfachste Geschichte von Ma¬
rianens Tod und Leiden werde mich nicht
empfindlich genug kränken, daß Du noch
solche höllische Kunstgriffe brauchst, um meine
Marter zu schärfen. Geht Deine unersätt¬
liche Völlerey so weit, daß Du beym Tod¬
tenmahle schwelgen mußt, so trink und rede!
Ich habe Dich von je her verabscheut, und
noch kann ich mir Marianen nicht unschul¬
dig denken, wenn ich Dich, ihre Gesellschaf¬
terin, nur ansehe.

Gemach, mein Herr! versetzte die Alte:

din ungenoſſen verſchäumen. Wie roth wa¬
ren ihre Lippen, als ſie Euch damals Be¬
ſcheid that! Ach! und nun auf ewig ver¬
blaßt und erſtarrt!

Sibylle! Furie! rief Wilhelm aus, indem
er aufſprang und mit der Fauſt auf den
Tiſch ſchlug, welch ein böſer Geiſt beſitzt und
treibt Dich? für wen hältſt Du mich, daß
Du denkſt, die einfachſte Geſchichte von Ma¬
rianens Tod und Leiden werde mich nicht
empfindlich genug kränken, daß Du noch
ſolche hölliſche Kunſtgriffe brauchſt, um meine
Marter zu ſchärfen. Geht Deine unerſätt¬
liche Völlerey ſo weit, daß Du beym Tod¬
tenmahle ſchwelgen mußt, ſo trink und rede!
Ich habe Dich von je her verabſcheut, und
noch kann ich mir Marianen nicht unſchul¬
dig denken, wenn ich Dich, ihre Geſellſchaf¬
terin, nur anſehe.

Gemach, mein Herr! verſetzte die Alte:

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[153/0157] din ungenoſſen verſchäumen. Wie roth wa¬ ren ihre Lippen, als ſie Euch damals Be¬ ſcheid that! Ach! und nun auf ewig ver¬ blaßt und erſtarrt! Sibylle! Furie! rief Wilhelm aus, indem er aufſprang und mit der Fauſt auf den Tiſch ſchlug, welch ein böſer Geiſt beſitzt und treibt Dich? für wen hältſt Du mich, daß Du denkſt, die einfachſte Geſchichte von Ma¬ rianens Tod und Leiden werde mich nicht empfindlich genug kränken, daß Du noch ſolche hölliſche Kunſtgriffe brauchſt, um meine Marter zu ſchärfen. Geht Deine unerſätt¬ liche Völlerey ſo weit, daß Du beym Tod¬ tenmahle ſchwelgen mußt, ſo trink und rede! Ich habe Dich von je her verabſcheut, und noch kann ich mir Marianen nicht unſchul¬ dig denken, wenn ich Dich, ihre Geſellſchaf¬ terin, nur anſehe. Gemach, mein Herr! verſetzte die Alte:

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/157>, abgerufen am 17.05.2024.