Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

hat alle Anstalten gemacht mich entbehren
zu können.

Warum sind Sie auch weggegangen! ver¬
setzte die Freundin.

Man kann die Erfahrung nicht früh ge¬
nug machen, wie entbehrlich man in der
Welt ist. Welche wichtige Personen glau¬
ben wir zu seyn! Wir denken allein den
Kreis zu beleben, in welchem wir wirken;
in unserer Abwesenheit muß, bilden wir uns
ein, Leben, Nahrung und Athem stocken,
und die Lücke, die entsteht, wird kaum be¬
merkt, sie füllt sich so geschwind wieder aus,
ja sie wird oft nur der Platz, wo nicht für
etwas besseres, doch für etwas angeneh¬
meres.

Und die Leiden unserer Freunde bringen
wir nicht in Anschlag?

Auch unsere Freunde thun wohl, wenn
sie sich bald finden, wenn sie sich sagen: da

hat alle Anſtalten gemacht mich entbehren
zu können.

Warum ſind Sie auch weggegangen! ver¬
ſetzte die Freundin.

Man kann die Erfahrung nicht früh ge¬
nug machen, wie entbehrlich man in der
Welt iſt. Welche wichtige Perſonen glau¬
ben wir zu ſeyn! Wir denken allein den
Kreis zu beleben, in welchem wir wirken;
in unſerer Abweſenheit muß, bilden wir uns
ein, Leben, Nahrung und Athem ſtocken,
und die Lücke, die entſteht, wird kaum be¬
merkt, ſie füllt ſich ſo geſchwind wieder aus,
ja ſie wird oft nur der Platz, wo nicht für
etwas beſſeres, doch für etwas angeneh¬
meres.

Und die Leiden unſerer Freunde bringen
wir nicht in Anſchlag?

Auch unſere Freunde thun wohl, wenn
ſie ſich bald finden, wenn ſie ſich ſagen: da

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0152" n="148"/>
hat alle An&#x017F;talten gemacht mich entbehren<lb/>
zu können.</p><lb/>
            <p>Warum &#x017F;ind Sie auch weggegangen! ver¬<lb/>
&#x017F;etzte die Freundin.</p><lb/>
            <p>Man kann die Erfahrung nicht früh ge¬<lb/>
nug machen, wie entbehrlich man in der<lb/>
Welt i&#x017F;t. Welche wichtige Per&#x017F;onen glau¬<lb/>
ben wir zu &#x017F;eyn! Wir denken allein den<lb/>
Kreis zu beleben, in welchem wir wirken;<lb/>
in un&#x017F;erer Abwe&#x017F;enheit muß, bilden wir uns<lb/>
ein, Leben, Nahrung und Athem &#x017F;tocken,<lb/>
und die Lücke, die ent&#x017F;teht, wird kaum be¬<lb/>
merkt, &#x017F;ie füllt &#x017F;ich &#x017F;o ge&#x017F;chwind wieder aus,<lb/>
ja &#x017F;ie wird oft nur der Platz, wo nicht für<lb/>
etwas be&#x017F;&#x017F;eres, doch für etwas angeneh¬<lb/>
meres.</p><lb/>
            <p>Und die Leiden un&#x017F;erer Freunde bringen<lb/>
wir nicht in An&#x017F;chlag?</p><lb/>
            <p>Auch un&#x017F;ere Freunde thun wohl, wenn<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich bald finden, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;agen: da<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0152] hat alle Anſtalten gemacht mich entbehren zu können. Warum ſind Sie auch weggegangen! ver¬ ſetzte die Freundin. Man kann die Erfahrung nicht früh ge¬ nug machen, wie entbehrlich man in der Welt iſt. Welche wichtige Perſonen glau¬ ben wir zu ſeyn! Wir denken allein den Kreis zu beleben, in welchem wir wirken; in unſerer Abweſenheit muß, bilden wir uns ein, Leben, Nahrung und Athem ſtocken, und die Lücke, die entſteht, wird kaum be¬ merkt, ſie füllt ſich ſo geſchwind wieder aus, ja ſie wird oft nur der Platz, wo nicht für etwas beſſeres, doch für etwas angeneh¬ meres. Und die Leiden unſerer Freunde bringen wir nicht in Anſchlag? Auch unſere Freunde thun wohl, wenn ſie ſich bald finden, wenn ſie ſich ſagen: da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/152
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/152>, abgerufen am 17.05.2024.