Geschichte mit der Gräfin erinnern möchte, allein niemand dachte derselben auch nur auf die entfernteste Weise.
Es ist wahr, sagte Lothario, angenehmer kann keine Empfindung in der Welt seyn, als wenn das Herz nach einer gleichgültigen Pause sich der Liebe zu einem neuen Gegen¬ stande wieder eröfnet, und doch wollt ich diesem Glück für mein Leben entsagt haben, wenn mich das Schicksal mit Theresen hätte verbinden wollen. Man ist nicht immer Jüngling, und man sollte nicht immer Kind seyn. Dem Manne, der die Welt kennt, der weiß, was er darin zu thun, was er von ihr zu hoffen hat, was kann ihm er¬ wünschter seyn, als eine Gattin zu finden, die überall mit ihm wirkt, und die ihm alles vorzubereiten weiß, deren Thätigkeit dasje¬ nige aufnimmt, was die seinige liegen lassen muß, deren Geschäftigkeit sich nach allen
J
Geſchichte mit der Gräfin erinnern möchte, allein niemand dachte derſelben auch nur auf die entfernteſte Weiſe.
Es iſt wahr, ſagte Lothario, angenehmer kann keine Empfindung in der Welt ſeyn, als wenn das Herz nach einer gleichgültigen Pauſe ſich der Liebe zu einem neuen Gegen¬ ſtande wieder eröfnet, und doch wollt ich dieſem Glück für mein Leben entſagt haben, wenn mich das Schickſal mit Thereſen hätte verbinden wollen. Man iſt nicht immer Jüngling, und man ſollte nicht immer Kind ſeyn. Dem Manne, der die Welt kennt, der weiß, was er darin zu thun, was er von ihr zu hoffen hat, was kann ihm er¬ wünſchter ſeyn, als eine Gattin zu finden, die überall mit ihm wirkt, und die ihm alles vorzubereiten weiß, deren Thätigkeit dasje¬ nige aufnimmt, was die ſeinige liegen laſſen muß, deren Geſchäftigkeit ſich nach allen
J
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0133"n="129"/>
Geſchichte mit der Gräfin erinnern möchte,<lb/>
allein niemand dachte derſelben auch nur auf<lb/>
die entfernteſte Weiſe.</p><lb/><p>Es iſt wahr, ſagte Lothario, angenehmer<lb/>
kann keine Empfindung in der Welt ſeyn,<lb/>
als wenn das Herz nach einer gleichgültigen<lb/>
Pauſe ſich der Liebe zu einem neuen Gegen¬<lb/>ſtande wieder eröfnet, und doch wollt ich<lb/>
dieſem Glück für mein Leben entſagt haben,<lb/>
wenn mich das Schickſal mit Thereſen hätte<lb/>
verbinden wollen. Man iſt nicht immer<lb/>
Jüngling, und man ſollte nicht immer Kind<lb/>ſeyn. Dem Manne, der die Welt kennt,<lb/>
der weiß, was er darin zu thun, was er<lb/>
von ihr zu hoffen hat, was kann ihm er¬<lb/>
wünſchter ſeyn, als eine Gattin zu finden,<lb/>
die überall mit ihm wirkt, und die ihm alles<lb/>
vorzubereiten weiß, deren Thätigkeit dasje¬<lb/>
nige aufnimmt, was die ſeinige liegen laſſen<lb/>
muß, deren Geſchäftigkeit ſich nach allen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">J<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[129/0133]
Geſchichte mit der Gräfin erinnern möchte,
allein niemand dachte derſelben auch nur auf
die entfernteſte Weiſe.
Es iſt wahr, ſagte Lothario, angenehmer
kann keine Empfindung in der Welt ſeyn,
als wenn das Herz nach einer gleichgültigen
Pauſe ſich der Liebe zu einem neuen Gegen¬
ſtande wieder eröfnet, und doch wollt ich
dieſem Glück für mein Leben entſagt haben,
wenn mich das Schickſal mit Thereſen hätte
verbinden wollen. Man iſt nicht immer
Jüngling, und man ſollte nicht immer Kind
ſeyn. Dem Manne, der die Welt kennt,
der weiß, was er darin zu thun, was er
von ihr zu hoffen hat, was kann ihm er¬
wünſchter ſeyn, als eine Gattin zu finden,
die überall mit ihm wirkt, und die ihm alles
vorzubereiten weiß, deren Thätigkeit dasje¬
nige aufnimmt, was die ſeinige liegen laſſen
muß, deren Geſchäftigkeit ſich nach allen
J
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/133>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.