Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

beschäftigte ich mich mit Muthmaßungen, ob
sie selbst, oder die Muhme das Kind vor
den Pferden gesichert habe? Ich wiederholte
mir die ganze Geschichte mehrmals im Sinne,
und ich wüßte nicht leicht, daß irgend etwas
angenehmer auf mich gewirkt hätte. Aber
ich fühle wohl, ich bin noch krank, und wir
wollen den Doctor bitten, daß er uns von
dem Überreste dieser Stimmung erlöse.

Es pflegt in vertraulichen Bekenntnissen
anmuthiger Liebesbegebenheiten wie mit Ge¬
spenstergeschichten zu gehen, ist nur erst eine
erzählt, so fließen die übrigen von selbst zu.

Unsere kleine Gesellschaft fand in der
Rückerinnerung vergangener Zeiten manchen
Stoff dieser Art. Lothario hatte am meisten
zu erzählen. Jarno's Geschichten trugen alle
einen eignen Character, und was Wilhelm
zu gestehen hatte, wissen wir schon. Indes¬
sen war ihm bange, daß man ihn an die

Ge¬

beſchäftigte ich mich mit Muthmaßungen, ob
ſie ſelbſt, oder die Muhme das Kind vor
den Pferden geſichert habe? Ich wiederholte
mir die ganze Geſchichte mehrmals im Sinne,
und ich wüßte nicht leicht, daß irgend etwas
angenehmer auf mich gewirkt hätte. Aber
ich fühle wohl, ich bin noch krank, und wir
wollen den Doctor bitten, daß er uns von
dem Überreſte dieſer Stimmung erlöſe.

Es pflegt in vertraulichen Bekenntniſſen
anmuthiger Liebesbegebenheiten wie mit Ge¬
ſpenſtergeſchichten zu gehen, iſt nur erſt eine
erzählt, ſo fließen die übrigen von ſelbſt zu.

Unſere kleine Geſellſchaft fand in der
Rückerinnerung vergangener Zeiten manchen
Stoff dieſer Art. Lothario hatte am meiſten
zu erzählen. Jarno’s Geſchichten trugen alle
einen eignen Character, und was Wilhelm
zu geſtehen hatte, wiſſen wir ſchon. Indeſ¬
ſen war ihm bange, daß man ihn an die

Ge¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0132" n="128"/>
be&#x017F;chäftigte ich mich mit Muthmaßungen, ob<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t, oder die Muhme das Kind vor<lb/>
den Pferden ge&#x017F;ichert habe? Ich wiederholte<lb/>
mir die ganze Ge&#x017F;chichte mehrmals im Sinne,<lb/>
und ich wüßte nicht leicht, daß irgend etwas<lb/>
angenehmer auf mich gewirkt hätte. Aber<lb/>
ich fühle wohl, ich bin noch krank, und wir<lb/>
wollen den Doctor bitten, daß er uns von<lb/>
dem Überre&#x017F;te die&#x017F;er Stimmung erlö&#x017F;e.</p><lb/>
            <p>Es pflegt in vertraulichen Bekenntni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
anmuthiger Liebesbegebenheiten wie mit Ge¬<lb/>
&#x017F;pen&#x017F;terge&#x017F;chichten zu gehen, i&#x017F;t nur er&#x017F;t eine<lb/>
erzählt, &#x017F;o fließen die übrigen von &#x017F;elb&#x017F;t zu.</p><lb/>
            <p>Un&#x017F;ere kleine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft fand in der<lb/>
Rückerinnerung vergangener Zeiten manchen<lb/>
Stoff die&#x017F;er Art. Lothario hatte am mei&#x017F;ten<lb/>
zu erzählen. Jarno&#x2019;s Ge&#x017F;chichten trugen alle<lb/>
einen eignen Character, und was Wilhelm<lb/>
zu ge&#x017F;tehen hatte, wi&#x017F;&#x017F;en wir &#x017F;chon. Inde&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en war ihm bange, daß man ihn an die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ge¬<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0132] beſchäftigte ich mich mit Muthmaßungen, ob ſie ſelbſt, oder die Muhme das Kind vor den Pferden geſichert habe? Ich wiederholte mir die ganze Geſchichte mehrmals im Sinne, und ich wüßte nicht leicht, daß irgend etwas angenehmer auf mich gewirkt hätte. Aber ich fühle wohl, ich bin noch krank, und wir wollen den Doctor bitten, daß er uns von dem Überreſte dieſer Stimmung erlöſe. Es pflegt in vertraulichen Bekenntniſſen anmuthiger Liebesbegebenheiten wie mit Ge¬ ſpenſtergeſchichten zu gehen, iſt nur erſt eine erzählt, ſo fließen die übrigen von ſelbſt zu. Unſere kleine Geſellſchaft fand in der Rückerinnerung vergangener Zeiten manchen Stoff dieſer Art. Lothario hatte am meiſten zu erzählen. Jarno’s Geſchichten trugen alle einen eignen Character, und was Wilhelm zu geſtehen hatte, wiſſen wir ſchon. Indeſ¬ ſen war ihm bange, daß man ihn an die Ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/132
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/132>, abgerufen am 22.11.2024.