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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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durch Erdichtung, durch einen Traum von
Leidenschaft, seine Seele so nach seinem Wil¬
len zwingt, daß ihre Wirkung sein ganzes
Gesicht entfärbt: -- Thränen im Auge! Ver¬
wirrung im Betragen! Gebrochne Stimme!
Sein ganzes Wesen von Einem Gefühl
durchdrungen! und das alles um nichts --
um Hekuba! -- Was ist Hekuba für ihn
oder er für Hekuba, daß er um sie weinen
sollte?

Wenn wir nur unsern Mann auf das
Theater bringen können, sagte Aurelie.

Wir müssen, versetzte Serlo, ihn nach
und nach hinein führen. Bey den Proben
mag er die Stelle lesen, und wir sagen daß
wir einen Schauspieler, der sie spielen soll,
erwarten, und so sehen wir, wie wir ihm
näher kommen.

Nachdem sie darüber einig waren, wen¬
dete sich das Gespräch auf den Geist. Wil¬

durch Erdichtung, durch einen Traum von
Leidenſchaft, ſeine Seele ſo nach ſeinem Wil¬
len zwingt, daß ihre Wirkung ſein ganzes
Geſicht entfärbt: — Thränen im Auge! Ver¬
wirrung im Betragen! Gebrochne Stimme!
Sein ganzes Weſen von Einem Gefühl
durchdrungen! und das alles um nichts —
um Hekuba! — Was iſt Hekuba für ihn
oder er für Hekuba, daß er um ſie weinen
ſollte?

Wenn wir nur unſern Mann auf das
Theater bringen können, ſagte Aurelie.

Wir müſſen, verſetzte Serlo, ihn nach
und nach hinein führen. Bey den Proben
mag er die Stelle leſen, und wir ſagen daß
wir einen Schauſpieler, der ſie ſpielen ſoll,
erwarten, und ſo ſehen wir, wie wir ihm
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[66/0072] durch Erdichtung, durch einen Traum von Leidenſchaft, ſeine Seele ſo nach ſeinem Wil¬ len zwingt, daß ihre Wirkung ſein ganzes Geſicht entfärbt: — Thränen im Auge! Ver¬ wirrung im Betragen! Gebrochne Stimme! Sein ganzes Weſen von Einem Gefühl durchdrungen! und das alles um nichts — um Hekuba! — Was iſt Hekuba für ihn oder er für Hekuba, daß er um ſie weinen ſollte? Wenn wir nur unſern Mann auf das Theater bringen können, ſagte Aurelie. Wir müſſen, verſetzte Serlo, ihn nach und nach hinein führen. Bey den Proben mag er die Stelle leſen, und wir ſagen daß wir einen Schauſpieler, der ſie ſpielen ſoll, erwarten, und ſo ſehen wir, wie wir ihm näher kommen. Nachdem ſie darüber einig waren, wen¬ dete ſich das Geſpräch auf den Geiſt. Wil¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/72>, abgerufen am 24.11.2024.