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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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eröffnete: der Oheim habe sich durch den Ab¬
be überzeugen lassen, daß, wenn man an der
Erziehung des Menschen etwas thun wolle,
müsse man sehen, wohin seine Neigungen
und seine Wünsche gehen? sodann müsse
man ihn in die Lage versetzen, jene, sobald
als möglich zu befriedigen, diese, sobald als
möglich zu erreichen, damit der Mensch,
wenn er sich geirrt habe, früh genug seinen
Irrthum gewahr werde, und wenn er das
getroffen hat, was für ihn paßt, desto eifri¬
ger daran halte und sich desto emsiger fort¬
bilde. Ich wünsche daß dieser sonderbare
Versuch gelingen möge, bey so guten Natu¬
ren ist es vielleicht möglich.

Aber das, was ich nicht an diesen Erzie¬
hern billigen kann, ist, daß sie alles von den
Kindern zu entfernen suchen, was sie zu dem
Umgange mit sich selbst und mit dem unsicht¬
baren, einzigen treuen Freund führen könne.

Ja

eröffnete: der Oheim habe ſich durch den Ab¬
bé überzeugen laſſen, daß, wenn man an der
Erziehung des Menſchen etwas thun wolle,
müſſe man ſehen, wohin ſeine Neigungen
und ſeine Wünſche gehen? ſodann müſſe
man ihn in die Lage verſetzen, jene, ſobald
als möglich zu befriedigen, dieſe, ſobald als
möglich zu erreichen, damit der Menſch,
wenn er ſich geirrt habe, früh genug ſeinen
Irrthum gewahr werde, und wenn er das
getroffen hat, was für ihn paßt, deſto eifri¬
ger daran halte und ſich deſto emſiger fort¬
bilde. Ich wünſche daß dieſer ſonderbare
Verſuch gelingen möge, bey ſo guten Natu¬
ren iſt es vielleicht möglich.

Aber das, was ich nicht an dieſen Erzie¬
hern billigen kann, iſt, daß ſie alles von den
Kindern zu entfernen ſuchen, was ſie zu dem
Umgange mit ſich ſelbſt und mit dem unſicht¬
baren, einzigen treuen Freund führen könne.

Ja
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[368/0374] eröffnete: der Oheim habe ſich durch den Ab¬ bé überzeugen laſſen, daß, wenn man an der Erziehung des Menſchen etwas thun wolle, müſſe man ſehen, wohin ſeine Neigungen und ſeine Wünſche gehen? ſodann müſſe man ihn in die Lage verſetzen, jene, ſobald als möglich zu befriedigen, dieſe, ſobald als möglich zu erreichen, damit der Menſch, wenn er ſich geirrt habe, früh genug ſeinen Irrthum gewahr werde, und wenn er das getroffen hat, was für ihn paßt, deſto eifri¬ ger daran halte und ſich deſto emſiger fort¬ bilde. Ich wünſche daß dieſer ſonderbare Verſuch gelingen möge, bey ſo guten Natu¬ ren iſt es vielleicht möglich. Aber das, was ich nicht an dieſen Erzie¬ hern billigen kann, iſt, daß ſie alles von den Kindern zu entfernen ſuchen, was ſie zu dem Umgange mit ſich ſelbſt und mit dem unſicht¬ baren, einzigen treuen Freund führen könne. Ja

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/374>, abgerufen am 22.12.2024.