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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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übergiebt, und sich in Gefahr setzt, seine edlere
Natur durch Vergnügen an geschmacklosen
Tändeleyen, wo nicht an was schlimmerem
herab zu würdigen.

Ich hatte ihn nicht in Verdacht, daß er
auf mich ziele, aber ich fühlte mich getroffen,
wenn ich zurück dachte, daß unter den Lie¬
dern, die mich erbauet hatten, manches abge¬
schmackte mochte gewesen seyn, und daß die
Bildchen, die sich an meine geistlichen Ideen
anschlossen, wohl schwerlich vor den Augen
des Oheims würden Gnade gefunden haben.

Philo hatte sich indessen öfters in der Bi¬
bliothek aufgehalten, und führte mich nun¬
mehr auch in selbiger ein. Wir bewunderten
die Auswahl und dabey die Menge der Bü¬
cher. Sie waren in jedem Sinne gesammlet;
denn es waren beynahe auch nur solche darin
zu finden, die uns zur deutlichen Erkenntniß
führen, oder uns zur rechten Ordnung an¬

übergiebt, und ſich in Gefahr ſetzt, ſeine edlere
Natur durch Vergnügen an geſchmackloſen
Tändeleyen, wo nicht an was ſchlimmerem
herab zu würdigen.

Ich hatte ihn nicht in Verdacht, daß er
auf mich ziele, aber ich fühlte mich getroffen,
wenn ich zurück dachte, daß unter den Lie¬
dern, die mich erbauet hatten, manches abge¬
ſchmackte mochte geweſen ſeyn, und daß die
Bildchen, die ſich an meine geiſtlichen Ideen
anſchloſſen, wohl ſchwerlich vor den Augen
des Oheims würden Gnade gefunden haben.

Philo hatte ſich indeſſen öfters in der Bi¬
bliothek aufgehalten, und führte mich nun¬
mehr auch in ſelbiger ein. Wir bewunderten
die Auswahl und dabey die Menge der Bü¬
cher. Sie waren in jedem Sinne geſammlet;
denn es waren beynahe auch nur ſolche darin
zu finden, die uns zur deutlichen Erkenntniß
führen, oder uns zur rechten Ordnung an¬

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[340/0346] übergiebt, und ſich in Gefahr ſetzt, ſeine edlere Natur durch Vergnügen an geſchmackloſen Tändeleyen, wo nicht an was ſchlimmerem herab zu würdigen. Ich hatte ihn nicht in Verdacht, daß er auf mich ziele, aber ich fühlte mich getroffen, wenn ich zurück dachte, daß unter den Lie¬ dern, die mich erbauet hatten, manches abge¬ ſchmackte mochte geweſen ſeyn, und daß die Bildchen, die ſich an meine geiſtlichen Ideen anſchloſſen, wohl ſchwerlich vor den Augen des Oheims würden Gnade gefunden haben. Philo hatte ſich indeſſen öfters in der Bi¬ bliothek aufgehalten, und führte mich nun¬ mehr auch in ſelbiger ein. Wir bewunderten die Auswahl und dabey die Menge der Bü¬ cher. Sie waren in jedem Sinne geſammlet; denn es waren beynahe auch nur ſolche darin zu finden, die uns zur deutlichen Erkenntniß führen, oder uns zur rechten Ordnung an¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/346>, abgerufen am 26.05.2024.